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Attika

schön: 5 Punktevon Marcel-André Casasola Merkle

Hans im Glück (Vertrieb: Schmidt)

ca. 30 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeit einfach (ab ca. 10 Jahre) 

Verpackung -

4. Platz Deutscher Spiele Preis 2004

Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2004

Bisher war Marcel-André Casasola als Kartenspielspezialist bekannt. Jetzt hat er sein erstes großes Brettspiel entworfen, das zu den besten Titeln dieses überdurchschnittlich guten Jahrgangs zählt. Der besondere Reiz des Spiels liegt darin, dass es zwei Siegmöglichkeiten gibt, die gelegentlich gegeneinander laufen. Entweder ich verbaue als erster alle meine 30 Gebäudeplättchen, oder ich verbinde zwei Heiligtümer, die an den unterschiedlichen Ecken des Spielplanes stehen. Dann beende ich das Spiel durch „Sudden Death“.

Vor uns liegt eine variable griechische Landschaft, auf deren sechseckige Felder die Gebäudeplättchen gelegt werden. Noch ist die Landschaft zu klein, sie wird aber regelmäßig um weiter Spielplanteile erweitert.

Alle Spieler haben die gleichen 30 Gebäude, die sie in vier Stapeln verdeckt bereit liegen haben. Jedes Gebäude kostet eine bestimmte Rohstoffkombination. Um diese zu bezahlen, gibt es Landschaftskärtchen – Wasser, Wald, Hügel, Berg – die ich nachziehen kann, wenn ich auf einen Spielzug verzichte.

Beim Bau zählen auch die Landschaftssymbole, die auf den sechseckigen Feldern des Spielplanes eingezeichnet sind. Wenn auf dem Bauplatz und auf den sechs umliegenden Feldern die passenden Symbole zu finden sind, kann ich meine Landschaftskärtchen entsprechend sparen.

Es gibt noch eine zweite raffinierte Möglichkeit, die Baukosten nicht bezahlen zu müssen: nämlich durch das Einhalten einer „sinnvollen Baureihenfolge“. Wenn ich zuerst den Brunnen baue, dann kann ich anschließend kostenlos das Kornfeld daneben legen. Dann folgen die Mühle und das Dorf. Wenn ich dies alles aneinandergrenzend gebaut habe, ist die Gruppe „Versorgung“ fertig und bekommen eine seltsam geformte Holzamphore als Belohnung, mit der ich einen Extra-Zug machen darf.

An den Hafen kann ich drei Schiffe anbauen und ich hätte die „Seefahrt“ fertig. Am größten ist die Gruppe „Stadt“ mit Handels-, Kultur- und Sporteinrichtungen. Insgesamt sieben verschiedene Gruppen gibt es, die einen kompletten griechischen Stadtstaat darstellen sollen.

Damit ich weiß, wie die „sinnvolle Baureihenfolge“ in Griechenland vorgesehen ist, hat jeder Spieler einen detaillierten Flussdiagramm-Plan vor mir liegen. Hier kann ich meinen zufällig gezogenen Gebäudeplättchen auch zwischenlagern, wenn es für einen Bau zunächst nicht so gut passt.

Beim Betrachten des Baus der olympischen Sportanlagen in Athen mag man sich allerdings fragen, ob „sinnvolle Baureihenfolge“ und Griechenland nicht ein reichlich widersprüchliches Thema sind. Hat hier der Kölner Autor Casasola seine deutsche Vorstellung eines geordneten Bauablaufs in eine völlig falsche Landschaft übertragen? Aber vielleicht war im antiken Griechenland noch alles anders.

Die thematische Umsetzung der Attika-Idee ist Marcel-André Casasola und Hans im Glück augenscheinlich nicht so einfach gefallen. Während der Bau der Gebäude noch ganz stimmig zu sein scheint, fragt man sich, warum manche Gebäude Straßen sind. Zumal alle Gebäudeplättchen irgendwie auch eine Straßenfunktion haben. Denn es geht ja auch darum, zwei Heiligtümer durch eine ununterbrochene Reihe zu verbinden. Dann ist das Spiel sofort zu meinen Gunsten beendet. Warum man dafür in der Antike die Siegtrophäe bekam? Keine Ahnung. Die vorbildlich knapp und präzise gehaltene Anleitung gibt uns – über den Spielablauf hinaus – keine Erläuterungen der Vorkommnisse im alten Griechenland.

Die Straßenplättchen tatsächlich recht gut dazu geeignet, bei der Verbindung zweier Heiligtümer zu helfen. Zwar kostet mich die erste Straße fünf Landschaftssymbole, anschließend kann ich aber kostfrei drei weitere Plättchen daran anschließen. Ähnlich gut kann ich die Gebäudereihe vom Brunnen zum Dorf verwenden, wenn ich die Plättchen der Gruppe „Versorgung“ zuvor gesammelt habe. Dann brauche ich nur ein Wasser-Symbol für den Brunnen zahlen und könnte dann sofort kostenlos die anderen Plättchen daran anlegen. Normalerweise kann ich drei meiner zurückgelegten Gebäude in einen Spielzug verbauen, mit Hilfe einer Amphore könnte ich sogar noch das vierte Plättchen dazulegen. Das wäre dann schon ein sehr langer Weg.

Um meine 30 Plättchen insgesamt möglichst schnell zu verbauen, brauche ich eine andere Strategie. Ich versuche, das Plättchen mit dem Hauptgebäude meiner Stadt als erstes zu bauen, damit ich rund um dieses die anderen städtischen Gebäude kostensparend legen kann. Dazu brauche ich das Glück, dieses Plättchen im gesonderten Hauptgebäude-Stapel schnell zu finden, und ich brauche Platz, um die Stadt reibungslos errichten zu können.

Auf der einen Seite will ich versuchen, schnell und ressourcensparend zu bauen. Auf der anderen Seite habe ich die Hoffnung, mir möglichst überraschend einen Weg zwischen zwei Heiligtümern zu errichten. Und drittens sollte ich versuchen zu verhindern, das dies meinen Mitspielern gelingt.

Im Zwei-Personen-Spiel schaffe ich es meist schon sehr frühzeitig, dem Gegner alle Weg zwischen zwei Heiligtümern abzuschneiden. Deswegen ist die Zwei-Personen-Paarung bei Attika auch die am wenigsten spannende Spielsituation.

Richtig spannend ist es zu mehreren. Wer stellt sich einem Spieler in den Weg, der kurz davor ist, die Heiligtümer miteinander zu verbinden? Ich habe dazu meistens keine Lust, denn für mich ist es viel effektiver, an dem systematischen Ausbau meines Stadtstaates weiterzubauen – und meine Mitspieler denken genauso. Ich müsste womöglich ein unpassendes Gebäude – beim Einsatz teurer Landschaftskarten – an eine für mich uninteressanten Stelle bauen. Damit hätte ich zwar den „Sudden Death“ verhindert – aber jemand anderes kann dabei der lachende Dritte sein.

Bei Attika kann es durchaus zu unschönen Szenen kommen, wenn sich ein Spieler ungerecht behandelt vorkommt. Noch weniger toll wäre die Situation, wenn jemand wegen der vereinigten Untätigkeit der Anderen ganz schnell am Ziel ist.

Attika ist deswegen für richtige Spieler-Typen zweifelsohne ein riesiges Spiel, das Glück, Taktik, Strategie, Ärger und Freude gleichermaßen bietet. Wer dagegen zu übermäßigem Ärger neigt, lieber in Ruhe seine Strategie umsetzt und auch sonst alles eine Spur zu ernst nimmt, sollte die Finger von diesem Spiel lassen.

Attika war das erste Spiel eines größeren Verlags, das vor seinem Erscheinen als „Preview“ bereits im Internet spielbar war. Es wurde als Online-Spiel – nicht zu verwechseln mit einem Computerspiel – auf brettspielwelt.de präsentiert, wo man die Möglichkeit hat, gegen reale Gegner auf der ganzen Welt zu spielen. Casasolas Verräter und Meuterer, seine beiden mit dem à la carte-Kartenspielpreis prämierten Spiele, als auch Attribut sind dort auch zu finden. Das Wörter-Kartenspiel Attribut war dort mangels eines Verlages lange Zeit sogar exklusiv vertreten, bevor es im Lookout-Eigenverlag herausgegeben wurde.

Hans im Glück war offensichtlich der Überzeugung, dass die preisgekrönte Online-Plattform brettspielwelt.de keine Konkurrenz zum Spiel in der Schachtel ist. Sondern vor den Essener Spieltagen wurde damit Attika ins Gespräch gebracht und viel Neugier erzeugt. Es war auf der Spiel ’03 zweifelsohne die mit Abstand am häufigsten gespielte Neuheit. Und kaum einer der Spielerinnen und Spieler war enttäuscht. Attika mag zwar bei seiner thematischen Umsetzung Schwächen haben, der Spielablauf selbst ist jedoch ausgezeichnet gelungen.

[ brettspielwelt.de: Attika online spielen ]

© Harald Schrapers 2004–07