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Candamir

schön: 5 PunkteDie ersten Siedler

von Klaus Teuber

Kosmos (Redaktion: TM, Lizenz: Catan)

ca. 15 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeit einfach (ab ca. 10 Jahre) 

Verpackung −

2005

Nach der Siedler-Trilogie aus dem Basisspiel, den Seefahrern und den Städten und Rittern landen wir jetzt in grauer Vorzeit. Ans Siedeln ist derzeit nicht zu denken, sondern wir haben uns nach langer Reise gerade noch an die Küste Catans retten können – mit nichts mehr als dem nackten Leben.

Ist Candamir der Start einer neuen Trilogie unter dem Namen Abenteuer Catan? Eine Episode I des Brettspiels? Ob unter dem Reihentitel Abenteuer Catan noch mehr Spiele erscheinen werden, möchte Klaus Teuber im Gespräch weder bestätigen noch dementieren. Er habe nichts Konkretes in Planung. Er gestehe aber zu, dass der Titel Raum für weitere Spiele lasse.

Thematisch Ideen gibt es jedenfalls reichlich. Klaus Teuber kann dabei auf den Siedler-Roman von Rebecca Gablé zurückgreifen, aus dem auch die Candamir-Figur stammt.

Spielerisch sind die Ähnlichkeiten mit den Siedlern recht gering. Zwar gibt es Rohstoffe – Erz, Fell, Holz – plus drei rohstoffähnliche Naturalien – Honig, Kraut, Pilz. Die Spieler können diese Kärtchen sogar untereinander tauschen. Aber ein richtig schwungvoller Handel entsteht gar nicht. Denn die Rohstoffe fallen nicht per Würfelwurf vom Himmel. Sondern man muss sich auf Spielbrett schon selbst auf den mühevollen Weg machen, um an die wertvollen Ressourcen ’ranzukommen.

Woran erinnert Candamir? Eigentlich gar nicht so sehr an Die Siedler von Catan. Denn dazu fehlt das Kommunikative, die Interaktion. Man geht man sich auf dem Spielbrett zumeist aus dem Weg. Aggressivität gegen die Mitspieler ist eh nicht Catan-typisch. Und wenn dann das Handeln sowieso nicht die große Rolle spielt, kann man es auch ganz bleiben lassen, und sich zu zweit einen vergnüglichen Abend machen. Candamir lässt sich ganz hervorragend zu zweit spielen. Vom Spielgefühl her gibt es eine verblüffende Ähnlichkeit mit Anno 1503, das Klaus Teuber von genau einem Jahr vorgestellt hatte. Allerdings war dieses Computerspiel-Brettspiel taktisch anspruchsvoller.

Worum geht es eigentlich bei Candamir? Man braucht zehn Siegpunkte. Diese haben sich in diesem Spiel quasi materialisiert. Sie liegen nämlich in der Form von zehn würfelförmigen Holzsteinchen vor jedem Spieler. Sie müssen jetzt nach und nach auf der östlichen Seite des Spielbretts eingesetzt werden. Denn dort wohnen die bereits etablierten Siedler Candamir, Osmund, Jared und Brigitta. Bestimmte Rohstoffkombinationen kann man in ein Schwert, eine Truhe oder Pergament umtauschen, denn diese Sachen wollen diese Siedler von uns haben. Zur Belohnung stellt der erfolgreiche Spieler ein Siegpunktsteinchen vor deren Hütte. Wenn jemand im Hof eines der drei Siedler mindestens drei Siegpunkte und die Mehrheit hat, darf er einen weiteren Siegpunktstein einsetzen – wie bei der längsten Handelsstraße.

Und wie kommt man an die Rohstoffe? Die Rohstoffe sind auf Plättchen eingezeichnet, die verdeckten auf dem sieben mal zehn Felder großen rechteckigen (nicht sechseckigen) Spielbrett liegen. In der Mitte ist das Dorf. Dort stehen zunächst die etwas ungelenken aussehenden Spielfiguren. Zuerst darf ein Spieler sich zwei Plättchen anschauen. Dann legt er einen Spielstein in seiner Farbe auf eines der Plättchen. Das ist jetzt sein Ziel. Wenn er dort angekommen ist, bekommt er diesen Rohstoff und wird zurück ins Dorf gebeamt.

Auf den Weg macht er sich mit Hilfe der Wegekarten – ein tatsächlich recht pfiffiges und originelles Spielelement. Die oberste Karte wird aufgedeckt. Jetzt zeigen vier Pfeile an, was passiert, wenn er die Figur weiter geradeaus, nach links, rechts oder zurück bewege. Mal findet man in die eine Richtung eine Naturalie. Geradeaus ist womöglich freie Bahn. Aber in die anderen Richtungen wird es schwierig. Dort hinziehen kann der Spieler zwar. Aber wenn dort ein Bär, eine Schlange, ein Wolf oder eine als Fragezeichen symbolisierte Abenteuerkarte wartet, muss er sich einer Probe unterziehen – wie im Rollenspiel.

Was hat Candamir mit einem Rollenspiel zu tun? Nicht sonderlich viel, möchte ich – zur Vorwarnung – zuerst betonen. Denn dieses Brettspiel ist keine tagelang dauernde Kampagne, in der sich Charaktere fortentwickeln. Sondern: Wir habe es mit einigen wenigen Rollenspielelementen zu tun, die zudem noch enorm reduziert wurden. Was durchaus zu einem neuartigen Spielerlebnis führt. Jeder Spieler besitzt nämlich einen Charakter mit vier Eigenschaften: Stärke, Kampftalent, Geschick und Charisma. Zu Beginn stehen bei jeder dieser Eigenschaften Ziffern zwischen null und zwei. Im Laufe des Spiels können die Fertigkeiten jedoch durch Erfahrung verbessert werden. Auf einigen der Plättchen sind nämlich neben den Rohstoffen auch Erfahrungspunkte zu finden. Jeder Erfahrungspunkt bedeutet ein plus eins für eine frei gewählte Fertigkeit. Wenn sich einem Spieler beispielsweise eine Schlange in den Weg stellt, muss er eine Geschicklichkeitsprobe mit einem bestimmten Wert bestehen. Dann hat er zu seiner Grundfertigkeit plus zusätzlichem Erfahrungspunkt den Wurf eines sechsseitigen Würfels (plus ein W6, sagen die Rollenspieler) zu addieren.

Wenn eine Probe nicht bestanden wird, verliert der Spieler an Kondition. Anfangs darf man jeweils vier Schritte mit vier Wegekarten gehen. Mit weniger Ausdauer reduziert sich die Schrittzahl. Mit einem Heiltrank, der sich aus den Naturalien brauen lässt, kann der Konditionsverlust wieder rückgängig gemacht werden.

Kann ich Candamir im Internet vorbereiten? Vier verschiedene Charaktere sind dem Spiel beigelegt. Weitere Charaktere kann man sich im Internet zusammenstellen. Dort gibt es ein kleines Programm – den Candamir-Editor. Der sorgt dafür, dass kein Spieler mit zu starken Rollen startet. 40 Punkte können auf die verschiedenen Fertigkeiten verteilt werden. Eine Zwei in Kampftalent kostet beispielsweise zehn Punkte. Die Fertigkeit Bärentöter (plus zwei bei einem Kampf gegen einen Bären) wird mit 17,5 Punkten angerechnet. Um nicht überall nur mittelmäßig dazustehen, ist es taktisch sinnvoll, seine Rolle auf einen bestimmten Schwerpunkt zu konzentrieren, etwas den Kampf gegen Bären. Auch wenn es schmerzt, neben seinem Portrait bei Charisma eine glatte Null stehen zu haben: es ist ja nur Spiel. Und mit den Charakterkarten mit eigenen Bild und eigenem Namen – möglichst auf Fotopapier ausgedruckt – wird der Spieltrieb noch zusätzlich befördert.

Und was bringt das Spiel? Viel. Acht Seiten Regel und manchmal mehr als zwei Stunden Spieldauer. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite muss man konstatieren, dass Candamir taktisch gesehen ein recht einfaches Spiel ist. So richtig tiefgreifende Entscheidungen sind selten zu treffen. Wohin ich klugerweise gehe: Das sagt mir meistens die Wegekarte. Soll ich das Risiko einer Probe auf mich nehmen? Da gucke ich, welchen Würfelwurf ich mir zutraue und welchen möglichen Konditionsverlust ich mir zumute. Taktisch anspruchsvoller ist die Frage, ob man gezielt versucht, unter den Plättchen keine Rohstoffe, sondern Tiere zu finden. Eine Bergziege oder ein Rind hat den Vorteil, dass ich es in Form eines Siegpunktsteinchens sofort in Osmunds Gehege stellen könnte. Rohstoffe muss man dagegen erst sammeln und in einer bestimmten Kombination gegen eine siegpunktrelevante Ware umtauschen. Allerdings gibt es Rohstoff-Plättchen meistens in der Kombination mit einem Erfahrungspunkt – und die sind bei Spielbeginn besonders wichtig, um bei den Proben bestehen zu können.

„Ab 12“ steht auf der Spieleschachtel. Das ist weit übertrieben – was die spielerischen Entscheidungsmöglichkeiten angeht. Candamir lässt sich auch mit deutlich jüngeren Kindern spielen, sie werden auch mit dem versierten Strategen mithalten können. Denn Strategie ist gar nicht gefragt. Kinder werden jedoch die lange Spieldauer ermüdend finden und brauchen selbstverständlich jemanden, der ihnen die umfangreiche Spielregel schrittweise beibringt.

Die enorme Kluft zwischen der langen Spielanleitung und der relativen Anspruchslosigkeit bei der Spieltaktik ist sehr auffällig. Für wen ist Candamir eigentlich geeignet? Passionierte Siedler-Fans die an der sechseckigen Insel jeden Trick kennen, und andere Spielefans werden die originellen Spielelemente zu schätzen wissen, wollen aber mehr Entscheidungsfreiheit. Kindern dauert das Spiel zu lange. Und spielunerfahrene Erwachsenen werden vor dem Umfang der Regel zurückschrecken – und die Originalität des Spiels womöglich gar nicht zu schätzen wissen.

Man muss wissen, worauf man sich einlässt. Es ist eben ein pures Unterhaltungsspiel. Um die Spieldauer in Grenzen zu halten sollte es nur in kleiner Runde spielen, zu zweit oder zu dritt. In der zweiten Auflage des Spiels gibt es zudem eine Modifizierung, die für eine Beschleunigung sorgt. Dann finde ich es klasse – sehr abwechslungsreich, hinreichend spannend und entspannend vergnüglich.

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© Harald Schrapers 2005-08