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Fifth Avenue

nett: 4 Punktevon Wilko Manz

Alea Ravensburger (Redaktion: Stefan Brück)

ca. 30 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeit mittel (ab ca. 12 Jahre) 

Verpackung −

2004

Ungewöhnlich, interessant und recht komplex präsentiert sich der Spielablauf des neuen Alea-Spiels Fifth Avenue. Es geht um den Bauboom im New York der dreißiger Jahre. Trotz des originellen Spielmechanismus: Leider ist es schwer, mit dem Spiel warm zu werden – der Funke will nicht so recht überspringen.

Sieben Stadtviertel mit je fünf Grundstücken sind auf dem Spielplan eingezeichnet. Ein Grundstück pro Stadtteil ist bereits bei Spielbeginn mit Geschäften aus Luxusbranchen wie Schmuck oder Kunst belegt. Wir setzen unsere je zwei Hochhäuser für die Startsituation auf das Spielbrett. Dabei werden wir Grundstücke wählen, die in Nachbarschaft zu einem Geschäft liegen – denn dafür gibt es bei den Häuserwertungen wichtige Extrapunkte.

Wenn ich an der Reihe bin, habe ich die Auswahl zwischen vier Aktionsmöglichkeiten:

Die Spielkarten werden gebraucht, wenn es endlich zur Versteigerung von Hochhäusern kommt. Das ist der Fall, wenn ein „Kommissionsstein“ durch drei Stadtteile gezogen wurde, anschließend in den Central Park und dann zurück zur Startposition musste.

In den drei Stadtteilen, in denen die Kommission war, gibt es eine Auktion. Geboten wird mit Spielkarten in der richtigen Farbe: wer dort bereits ein Grundstück besitzt, muss diese Farbe nehmen, alle anderen müssen die Farbe einer unbebauten Parzellen wählen.

Die Spielkarten zeigen nicht nur die für das Gebot entscheidenden Ziffern 4, 5 und 6, sondern auch die Zahl der Häuser, die der Auktionssieger bauen darf. Wer nur mit 4er-Karten geboten und gewonnen hat, darf drei Gebäude errichten. Wenn jedoch eine 5er dabei ist, dürfen nur zwei Häuser entstehen, bei eine 6er-Karte ist es sogar nur ein Haus: ein raffinierter Kartenspielmechanismus.

Die Versteigerungen stehen im Mittelpunkt des Spiels. Hier entscheidet sich, wer lukrative Grundstücke mit vielen Hochhäusern sein Eigen nennt. Damit kann ich am Ende sehr viele Punkte machen. Deshalb gerate ich hier regelmäßig ins Schwitzen. Allein zu entscheiden, ob ich überhaupt den „Kommissionsstein“ zum Start zurücksetzte, um die Auktionen auszulösen, überfordert mich regelmäßig.

Außerdem sind die Versteigerungen auch noch verdammt riskant, wenn der falsche Mitspieler am meisten bietet. Spieler, die in einem Viertel mit vielen Hochhäusern gar nicht oder kaum vertreten sind, könnten dort einen „Baustopp“ verhängen. Dann werden die Hausbesitzer mit der halben Punktzahl abgespeist und die Schlusswertung entfällt.

Spielende ist, wenn über zwei Stadtteile ein „Baustopp“ verhängt wurde oder die Geschäftsplättchen alle sind.

Dass die Geschäftsplättchen ausgehen, kann relativ schnell gehen. Denn jedes zweite oder dritte Plättchen muss in den Central Park gelegt werden. Auch dort durfte man im Spielverlauf Wolkenkratzer bauen, die nun am Ende relevant werden. Die Geschäfte werden verdeckt gemischt. Dann werden in einer Ziehung drei Läden ermittelt. Abhängig von der Zahl der Branchen, die diese Geschäfte repräsentieren, werden die Punkte verteilt.

Spätestens hier wird der Charakter des Spiels offensichtlich. Fifth Avenue ist ein perfekt zwischen Strategie-, Taktik- und Glückselementen ausbalanciertes Spiel. Gleichzeitig merkt man aber, dass die Häuserbaugeschichte mit Mühe auf das Spiel gestülpt wurde. Die Central-Park-Lotterie ist völlig aus der Luft gegriffen. Auch fragt man sich, warum Hochhäuser versteigert werden, während es die Geschäfte umsonst gibt. Wobei das gar keine Kritik am Spielmechanismus ist. Denn die Geschäfte gibt es so gesehen ja gar nicht umsonst – sondern ich muss sie durch den Verzicht auf eine andere Aktion recht teuer bezahlten.

Eigentlich ist Fifth Avenue eher ein abstraktes Spiel – was wirklich schade ist. Denn die spannenden Spielelemente, gerade auch die interaktiven Versteigerungen, verlangen nach einer Thematik, die den Einstieg erleichtert und den Ablauf unterstützt.

So werden viele Spieler schon bei der ersten Partie wenig begeistert sein. Denn der Spielablauf ist reichlich komplex, am Anfang weis man nicht, was man sinnvollerweise tun soll. Das Spiel ist harte Arbeit. Und diese Arbeit wird in den nächsten Partien nicht leichter. Denn dann weis ich, in welche Richtung ich will und stelle gestresst fest, dass alles immer zu knapp ist.

Nahezu perfekte Mechanismen, sogar ausgeklügelte Interaktivität, machen noch kein schönes Spiel. Sondern Fifth Avenue ist ein regelrecht kaltes Spiel, das man sich erarbeiten muss. Hier fehlt jede Schönheit und es mangelt an spielerischem Flair.

Manche Spieler wird das nicht abschrecken. Die vielen Möglichkeiten im Spiel, gerade dieser wahrlich ungewöhnliche Ablauf, sind für sie ein besonderer Reiz, es noch einmal zu versuchen. Vielleicht können sie sogar den einen oder anderen Skeptiker überreden, mitzumachen. Denn das Spiel bietet durchaus Spannung und es dauert oft kaum länger als eine Stunde.

Doch selbst wenn man sich eine halbwegs schlüssige Taktik erarbeitet hat und am Ende nicht ganz erfolglos am Bauboom teilgenommen hat – bei vielen Spielern dürfte das Kapitel Fifth Avenue dann doch abgeschlossen sein. Die wenigen Fans, die sich allein an genial verschlungenen Mechanismen laben, müssen dann die recht brauchbare Zwei-Personen-Variante probieren, oder sie stehen ganz allein da.

© Harald Schrapers 2004–2008