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Meisterwerke

schön: 5 PunkteVortrefflich formulieren, schnellstens skizzieren

von William P. Jacobsen und Amanda A. Kohout

Asmodee (Lizenz: Braincoq)

ca. 30 €   

– nicht mehr lieferbar –

3 bis zirka 7 SpielerInnen

Schwierigkeitsehr einfach (ab ca. 8 Jahre)

Neuauflage 2012 (Originaltitel: Identik)

nominiert für das Spiel des Jahres 2010 (als Identik)

90 Sekunden sind unglaublich kurz. Jedenfalls wenn man Meisterbilder beziehungsweise Identik (so hieß die 2010 erschienene deutschsprachige Originalausgabe) spielt. 90 Sekunden lässt einem die Sanduhr. In dieser Zeit redet man sich den Mund fusselig. „In der Mitte ist ein großes Segelschiff mit drei Masten. An jedem hängen je drei Segel, obendrauf eine dreieckige Fahne. Links davon ein mit Kratern durchzogener Mond und drei Sterne …“ So hört es sich an, wenn der so genannte Meister das Gemälde „Schiff in der Nacht“ beschreibt.

Einer redet, und die Künstler kritzeln das nach, was ihnen der Meister befiehlt. Wenn die Zeit abgelaufen ist, kommt die Stunde der Wahrheit. „Kunstausstellung“ nennt die Regel dies hochtrabend – und meint es ironisch. Denn hier beschränkt sich Kunstkritik auf eine technokratische Ja-Nein-Abfrage. Der Kritiker meines Bildes ist mein linker Nachbar.

Der Meister zieht eine Liste von zehn Bilddetails aus einer speziellen Kartenabdeckung hervor, denn auch er durfte die Aufstellung zuvor nicht sehen. Er liest vor: „Die Segel des Schiffes sind alle ungefähr rechteckig und nicht dreieckig.“ Hups. Das hatte der Meister in der Hektik zuvor gar nicht erwähnt. Trotzdem gewinne ich den Punkt. Zwar mäkelt mein Nachbar an der Form der Segel herum, weil ich sie ja überhaupt nicht als klar erkennbares Viereck, geschweige denn als Rechteck gezeichnet hätte. Aber ich kann ihn doch überzeugen: Die Tücher seien schließlich eher rechteckig denn dreieckig.

Ich bekomme einen Siegpunkt. Außerdem wird mit einem zehnseitigen Würfel entschieden, welches der zehn Bilddetails mit zwei Bonuspunkten belegt wird. Das ist jedoch sinnfrei, da niemand vorab die zehn Punkte kennt, auf die es ankommt.

Der Meister bekommt jeweils dann einen Punkt, wenn mindestens ein Künstler das Detail richtig gemalt hat. Erst ganz am Ende darf der Meister das Originalbild zeigen und so für Gelächter sorgen.

Meisterbilder ist ein Malspiel, bei dem man auch dann mitspielen kann, wenn man künstlerisch komplett unbegabt ist. Mit Mut draufloskritzeln – dann klappt’s schon. Hier sind Konzentration und Vorstellungsvermögen gefragt, der Meister muss auch noch gut und präzise erklären können.

Knackpunkt des Spiels sind die vielen Zweifelsfälle, die bei der Bewertung einer Zeichnung entstehen können. Geht das undefinierbare Gekritzel wirklich als rechteckiges Segel durch? Als Künstler kämpfe ich selbstverständlich wortreich für mein Gemälde. Aber was ist, wenn der neben mir sitzende Kunstkritiker mir keinen Punkt zusprechen will? Dann kommt es laut Spielregel zu einer Abstimmung. Doch welchen Grund sollten meine Mitspieler haben, mir einen Siegpunkt zuzusprechen? Keinen. Sie müssten, wenn sie der Logik folgen, beständig gegen mich stimmen. Konsequenz daraus: Meisterbilder funktioniert nicht.

Doch die Praxis ist eine andere. Denn meine zumeist spielerfahrene Künstler-Runde nimmt Meisterbilder offensichtlich gar nicht richtig ernst. Hier ist es nie zu einer Abstimmung gekommen. Wenn ein Künstler darauf besteht, dass dieser undefinierbare Punkt eine Kuhglocke ist, dann gibt der Kritiker nach einem lautstarken Wortgefecht regelmäßig nach. Wer bei einem großen Taktikspiel niemals auch nur ein Pünktchen dem Gegner gönnen würde, kann bei einer Spielerei wie Meisterbilder großzügig sein.

Klar ist, dass die Meisterbilder zugrunde liegende Spielidee mühelos die recht große Spielschachtel füllt. Portrayal hieß der Titel im amerikanischen Original – und wir können froh sein, dass Asmodee dieses überaus unterhaltsame und herausfordernde Spiel nach Europa geholt hat.

Eine ausführliche Besprechung von Identik finden Sie im Magazin spielbox August/September 2010.