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Niagara

von Thomas Liesching

Zoch (Vertrieb: Noris)

ca. 23 €

schön: 5 Punkte bis 5 SpielerInnen

Schwierigkeit sehr einfach (ab ca. 8 Jahre) 

Verpackung −

Spiel des Jahres 2005

2. Platz Deutscher Spiele Preis 2005

Zwar gibt es in diesem Gewässer keine gefährlichen Tiere, aber es droht es anderes: der Wasserfall. Davor möchte man seine beiden Kanus bewahren.

Jeder Spieler hat einen Satz Kärtchen, deren Ziffern angeben, wieweit das Kanu gezogen werden soll. Alle spielen eines ihrer Kärtchen verdeckt aus. Dann werden sie umgedreht und in der Spielerreihenfolge abgearbeitet. Jeder bewegt seine eigenen Kanus und kann, wenn er an der Reihe ist, entscheiden, ob er flussaufwärts oder -abwärts ziehen möchte. Außerdem kann man zwei Paddelschläge dafür verwenden, einen Edelstein an den Fundstellen am Flussufer aufzunehmen. Das ist das Ziel des Spiels: Edelsteine sammeln. Wer sieben Stück hat, gewinnt. Wenn man eine bestimmte Kombination gleichfarbiger oder verschiedener Steinchen besitzt, ist man sogar schon früher fertig.

Der spannende Moment kommt, wenn alle Kanus gezogen wurden. Dann fließt der Fluss. Die Kanus befinden sich auf Plexiglasscheiben, die nun Richtung Wasserfall geschoben werden. Dabei entscheidet das niedrigste zuvor ausgespielte Zugweitenkärtchen, dwie viele neue Scheiben von hinten in den Fluss geschoben werden.

Das Material dieses Spiels ist beeindruckend. Das Spielbrett wird auf den Schachteldeckel und den umgedrehten Schachtelboden gelegt, damit es am Ende des Bretts beim Wasserfall ordentlich hinunter geht. Ein dreidimensional ausgearbeitetes Flussbett bahnt den Kunststoffscheiben den Weg. Raffiniert ist die Flussgabelung vor dem Wasserfall. Hier suchen sich die Scheiben abwechselnd den Weg nach links und nach rechts – so halbiert der Fluss seine Fließgeschwindigkeit.

Niagara kann taktisch recht anspruchsvoll sein. Man sollte selbstverständlich darauf achten, dass die Kanus am Wasserfall nicht abstürzen. Gleichzeitig muss man vorausschauend die Möglichkeiten überblicken, die richtigen Edelsteine nach Hause zu bringen.

Attraktiv wirkt die Möglichkeit, ein fremdes Kanu zu überfallen. Allerdings gibt es dafür gleich drei Vorbedingungen, weshalb das erst mit zunehmender Spielerfahrung und der nötigen Aggressivität häufiger vorkommt: Das raubende Kanu muss leer sein, flussaufwärts fahren und mit seiner Zugpunktezahl genau längst des Überfall-Opfers ankommen. Da man keine Paddelpunkte verfallen lassen darf, gibt es neben der Aufnahme von Edelsteinen auch noch das Unterwegs-Abladen, um so die Schiffsgeschwindigkeit zu reduzieren. Wann sich das lohnt, ist schwierig einzuschätzen, da man ja eigentlich die wertvollen Steinchen an die Anlegestelle bringen muss.

Als genauso sperrig entpuppt sich die Möglichkeit, statt eines Zugweitenkärtchens das Wetter zu beeinflussen. Dann fließt der Fluss schneller oder langsamer. Das heißt, es werden mehr oder weniger Glasscheiben in den Fluss geschoben. Da man inklusive seiner Wetterwolke alle Kärtchen einsetzen muss, bevor man sie wieder zurück bekommt, sieht sich jeder Spieler mal als Wettermacher. Anfangs hält er sich ratlos bis zum Ende zurück, was dann dazu führt, dass die Spieler alle mehr oder wenige gleichzeitig das Wetter beeinflussen wollen. Das bedeutet, dass sich oft doch nichts verändert.

Brillantes Material steht der Tatsache gegenüber, dass der Einstieg in die Geheimnisse des Paddelns auf dem Niagara-River gar nicht so einfach ist. Zwar ist die Spielanleitung gut geschrieben, und es ist auch nicht der Spielablauf an sich, der rätselhaft bleibt. Sondern es sind die spielerischen Details, dessen Sinn und Wirkung sich auch in der zweiten Partie noch nicht so recht erschließen.

Die beinahe spektakuläre Gestaltung kann den gelegentlich spröden Spielablauf des Hin- und Herfahrens kaschieren. Das ist auch ein Lob. Denn erstklassiges Material ist durchaus ein wesentlicher Bestandteil eines guten Spiels. Schlecht wäre es nur, wenn die dadurch geweckte Erwartung enttäuscht würde. Doch das ist bei Niagara jedoch nicht der Fall. Das Spiel ist ein durchaus spannendes Wettrennen zu den Edelsteinfundstellen. Eine besondere Herausforderung ist die Rubin-Fundstelle, die unmittelbar vor dem Wasserfall liegt. Da muss man sich mit ganz kühlem Kopf an die Stelle herantreiben lassen und sich anschließend mit kräftigen Paddelstößen aus dem Gefahrenbereich befreien. Das kann Nerven kosten.

© Harald Schrapers 2005-10