games we play

Tikal

Deutscher Spiele Preis von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling

Rio Grande (Vertrieb: Abacus)

ca. 33 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeitmittel (ab ca. 12 Jahre)

schön: 5 Punkte Verpackung −

Neuauflage 2005

Spiel des Jahres 1999

Deutscher Spiele Preis 1999

Tikal war die 99er Neuerscheinung, die in der Spieleszene die größte Beachtung gefunden hatte und fast zwangsläufig als Spiel des Jahres ausgezeichnet wurde. Es ist ein großes Brettspiel um Expeditionen zu versteckten Maya-Stätten im Urwald Guatemalas.

Wenn eine SpielerIn an der Reihe ist, zieht sie ein sechseckiges Geländeplättchen und legt dieses auf das Spielbrett. So wird der erforschte Urwald ständig ein wenig größter. Jeweils zehn Aktionspunkte hat die SpielerIn anschließend zu vergeben. Damit kann sie ihre ExpeditionsteilnehmerInnen im Basislager aufs Spielbrett stellen. Oder sie bewegt diese zum nächsten Geländeplättchen. Sie kann auf bestimmten Feldern Schätze heben, die wertvolle Punkte bringen können. Und auf anderen Feldern sind Tempel zu finden, die Schicht für Schicht ausgegraben werden können.

Immer wenn ein Plättchen mit einem Vulkan auf das Spielbrett gelegt wird, gibt es eine Zwischenwertung. Jetzt hat jede SpielerIn noch einmal die Möglichkeit, ihre Position auf dem Spielfeld mit zusätzlichen zehn Aktionspunkten zu optimieren. Wenn eine SpielerIn dies getan hat - einiges hat sie dabei zu berechnen - wird sofort für sie der Punktestand ermittelt. Danach ist die nächste SpielerIn an der Reihe, ihre zehn Aktionspunkte zu verbrauchen und daraufhin zu werten. Diese getrennte Wertung für jede SpielerIn ist eine sehr originelle Idee des Autorenduos Kiesling/Kramer.

Tikal stellt einige taktische Anforderungen - es ist auch für nur zwei SpielerInnen geeignet - und fällt gleichzeitig durch eine genial einfache Spielregel auf.

Mit diesem wirklich ambitionierten Autorenspiel überraschte damals ausgerechnet der Ravensburger Spieleverlag (mittlerweile ist nur noch die ursprünglich amerikanische Rio Grande-Ausgabe auf dem Markt), dem nachgesagt wurde, sich auf spielerischen Einheitsbrei für globalisierte Märkte spezialisiert zu haben. Die Spielekritik reagierte auf Tikal nahezu euphorisch und auch die Mitglieder der Spiel des Jahres-Jury, unter anderem Synes Ernst in der Neuen Luzerner Zeitung und Michael Knopf in der Süddeutschen Zeitung haben in ihrem Bespechungen kein Haar in der Tikal-Suppe finden können. Manche behaupteten sogar, dass Tikal fast so gut wie die Siedler von Catan sei. Der Pfeffersäcke-Autor Christward Conrad schrieb in der Pöppel-Revue, dass Tikal nach „Anspruch, Aufmachung, Kompexität und Wiederholungsreiz dem populären Referenzspiel durchaus ebenbürtig“ sei.

Nach diesen Vorschusslorbeeren der Spielkritik gab es in manchen Spielerunden dann doch eine herbe Enttäuschung. Denn von der Lebendigkeit der Siedler ist nichts zu spüren, die SpielerInnen sind während der Aktionen der anderen nicht mit einbezogen und Kommunikation findet kaum statt. Dagegen können lange Wartezeiten entstehen, während derer man auch schon mal einen Kasten Bier aus dem Keller hochholen könnte. In einer Profiversion von Tikal gibt es immerhin die interative Möglichkeit, die Geländeplättchen zwischen den SpielerInnen zu versteigern. Doch verlängert sich dadurch die eh schon sehr lange Spielzeit auf deutlich mehr als zwei Stunden.

© games we play - niederrhein magazin 1999–2022 – Autor: Harald Schrapers