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Michael Knopf

Das Leben ist eine Schachtel

Michael Knopf war kein Spieleerfinder. Er hat keine Anleitungen geschrieben, er hat keine Grafiken entworfen, keine Redaktionsarbeit geleistet. Sondern er war ein Spieler. Doch das allein zeichnete ihn nicht aus: sondern sein Fähigkeit, in Worte zu fassen, was das Spieler-Dasein bedeutet. Seine streitbaren Spielebesprechungen waren von einer beneidenswerten sprachlichen Brillanz.

„Kinder spielen und wissen es nicht wirklich, weil sie die Gegenwelt noch nicht kennen, den Ernst; wenn Erwachsene spielen, sind sie sich dessen bewusst und genießen diesen kleinen Triumph übers Rationale“, schrieb Michael Knopf in seinem Buch Spielen, das in dtv-Reihe Kleine Philosophie der Passionen erschienen war. Kein anderer hat jemals so eindrucksvoll beschrieben, was es heißt, ein Spieler zu sein, der Die Siedler, Bluff, Bohnanza oder Acquire mag.

Knopf war gelernter Journalist, er hatte bei der Frankenpost in Hof begonnen und wurde für seine Arbeit mit dem Theodor-Wolf-Preis ausgezeichnet. 1993 wechselte er zur Süddeutschen Zeitung (SZ), erst in den Lokalteil und später ins Medienressort. Mit seinen Spielekritiken in der Wochenende-SZ wurde er bundesweit in der Spieleszene bekannt – spätestens ab 1997, als er sie einem breiteren Fachpublikum im Internet zur Verfügung stellte.

Man merkte den Knopf’schen Spielebesprechungen immer an, dass sein Autor nicht nur Journalist war, sondern auch das Feuilletonistische beherrschte. Insbesondere seine kurzen Besprechungen lebten von dieser Qualität. Seine längeren Texte, die er in der spielbox veröffentlichte, gehörten zweifelsohne zu den besten Rezensionen, die es zu lesen gab. Gleichzeitig erschraken sie jeden, der Spielebesprechungen an dem objektiven Anspruch eines Autotests maßen. Doch dafür war Michael Knopf nicht zu haben.

Eine Kritik zu schreiben, ohne Widerspruch zu ernten, kann kaum das Ziel eines Kritikers sein – egal ob er als über einen Fernsehfilm schreibt oder über ein Spiel. Das ist es vermutlich, was Michael Knopf aus der Gruppe der Spielekritiker hat hervorragen lassen. Er war nicht „nur“ Journalist für die Tagesaktualität. Das war er zwar auch, ein Journalist für politische Themen. Aber als Medienredakteur war er eben auch im Feuilleton zu Hause, er beherrschte die Glosse und bewies sich mit seinem Buch als Essayist.

1997 hatte der Knopf die „Bedeutsamkeitsstufe des Jury-Mitglieds“ – so nannte er es bereits damals – erreicht. Doch er wollte sich nicht verbiegen lassen. Zusammen mit Edwin Ruschitzka und Andreas Mutschke trat er 2001 aus der Spiel-des-Jahres-Jury aus, weil er die Abhängigkeit der Jury von den jährlich sechsstelligen Lizenzeinnahmen für den „roten Pöppel“ als höchst problematisch sah. Und neben den schwer durchschaubaren Finanztransaktionen hat er sich mindestens genauso darüber geärgert, dass er bei manch einem Jury-Kollegen die spielerische Kompetenz schwinden sah. Der Münchener Journalist blieb auch in der Jury Spieler – mehr als je zuvor. Er wollte keine Preisvergabe verwalten und keine Spiele sammeln. Dazu hatte er ein viel zu emotionales Verhältnis zu diesen „Schachteln“.

Ende 2001 wechselte Knopf als Redakteur für die Münchener Seiten zur neuen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Anfangs erschienen auch in dieser Zeitung noch seine Spielekritiken, aber als bald darauf im Zuge der Zeitungskrise der Blattumfang reduziert wurde, fielen die Rezensionen dem Rotstift zum Opfer. Anschließend traf es ihn auch persönlich. Als die FAS ihre Münchener Seiten einsparte, fand sich Michael Knopf unversehens als weitgehend erwerbsloser freier Journalist auf der Straße wieder. Seine Website siegpunkt.de setzte er trotzdem fort, machte sie allerdings kostenpflichtig – was in der Welt des Internets immer noch mutig ist. Seine letzte Besprechung handelte von Blue Moon City – das er im Gegensatz zu dem Kartenspiel durchaus lobte. „Womit nebenbei mal wieder bewiesen wäre, daß dieser ganze Fantasy-Firlefanz komplett entbehrlich und von spielerischem Nullwert ist“, kommentierte er mit spitzer Feder. Auf seine nächste Rezension warteten wir vergeblich.

Neben den Spielen hatte Michael Knopf eine weitere „Passion“: das griechische Kreta. Daraus machte er zuletzt einen Beruf, indem er sich mit dem Online-Feinkostgeschäft Tikanis selbstständig machte. Er hatte Griechenland so lieb gewonnen, dass er vermutete, dass man dort vielleicht sogar während der Arbeitszeit spielen könne – „wenigstens ein bißchen.“ Weiter schrieb er in seinem Buch: „Natürlich, so sieht Griechenlands Wirtschaft auch aus. Sieht aus wie die Männer, die in den Kafenions sitzen und Tafli spielen, weniger vom Herzinfarkt bedroht als von ungünstig fallenden Würfeln.“ Im Juni ist er mit gerade mal 44 Jahren gestorben. Wir vermissen ihn.

© Harald Schrapers 2006