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Canal Grande

schön: 5 PunkteEin (ab)stimmungsvolles Kartenspiel

von Alan R. Moon und Aaron Weisblum

Adlung

ca. 5 €

– nicht mehr lieferbar –

2 SpielerInnen

Schwierigkeit mittel (ab ca. 12 Jahre) 

Verpackung ++

2003

Ein kleines Kartenspiel aus dem Hause Adlung war die Überraschung der Essener Spieltage 2002 und kann die Zwei-Personen-Spiele-Konkurrenz eindeutig hinter sich lassen.

Es geht um das Kuchenprinzip. Einer bekommt das Kuchenmesser, um den Kuchen in Stücke zu schneiden. Und die anderen entscheiden, wer welches Stück bekommt. Der mit dem Messer bekommt das Stück, das übrig bleibt.

In dem Kartenspiel Canal Grande werden natürlich keine Kuchenstücke verteilt. Acht Karten werden aufgedeckt. Der eine Spieler teilt die Karten in zwei Haufen, und der Mitspieler entscheidet, wer welchen Haufen kriegt.

2001 hatten Alan R. Moon und Aaron Weisblum schon einmal ein Spiel herausgebracht, bei dem es ums gerechte Teilen in venezianischer Kulisse ging: Das Brettspiel San Marco. Canal Grande ist eine Zwei-Personen-Version dieses Ravensburger-Spiels.

Canal Grande hatte damals zwar seinen Anhänger, stieß gleichzeitig aber auch auf gut begründete Kritik. Wolfgang Friebe schrieb damals in der Fachzeitschrift Fairplay, dass er wegen des "Ich teile – du entscheidest" dem Spiel durchaus zugeneigt sei. "Wie teile ich am besten und gerechtesten auf?" fragte Friebe damals und gab zu, dass er das nicht könne. "Jedenfalls nicht ohne stundenlanges Nachdenken." Auch ich gebe jetzt zu, dass es mir bei San Marco nicht anders ergangen war. Entweder ich habe falsch entschieden und habe damit nicht nur meine Chancen gemindert, sondern die Spielbalance insgesamt berührt. Oder ich musste ewige Dankpausen einlegen – und selbst dann konnte ich für das Ergebnis keine Garantie abgeben. "Wäre so ein Spiel ein gutes Spiel?", fragte Wolfgang Friebe. Und antwortete: "Bestimmt nicht."

San Marco hat jetzt seine zweite Chance, und hat diese genutzt. Die Reduktion auf das Zwei-Personen-Kartenspiel ist gelungen. Denn den Kuchen in bloß zwei Teile zu schneiden, das schaffe sogar ich.

Es gibt eine überschaubare Anzahl verschiedener Karten, die bei der Verteilung zu berücksichtigen sind. Von zentraler Bedeutung sind die Bezirkskarten, die es in sechs (schlecht unterscheidbaren) Farben gibt. Diese Karten braucht man, wenn es darum geht, Mehrheiten in diesen sechs Bezirken zu erringen.

Eine Abstimmung gibt es dann, wenn ein Spieler die Karte "Doge" bekommt. Die darf er nicht auf die Hand nehmen, sondern die Abstimmung wird sofort eingeleitet. Der betreffende Spieler spielt eine Bezirkskarte seiner Wahl aus. Der Mitspieler kann versuchen ihm mit einer größeren Anzahl von Karten dieses Bezirks zu überbieten, worauf der Gegner wiederum nachlegen kann. Wichtig sind zudem die Karten "Gondel", denn dann darf man bei einer Abstimmung auch Karten von anderen Bezirken hinzuziehen.

Gewonnen hat das Spiel, wer entweder in allen sechs Bezirken einmal die Mehrheit errungen hat, oder wer es in einem Bezirk vier Mal geschafft hat.

Es gibt nicht nur die positiven Aktionskarten zu berücksichtigen, wenn man die Karten aufteilt. Sondern es gibt auch negativen Zahlenkarten, die man gerne zu besonders positiven Karten legt. Wer mit seinen gesammelten Zahlenkarten das bei zehn liegende Limit erreicht hat, beendet eine Runde und muss die nächste aus der schlechteren Position des Verteilers beginnen. Außerdem bekommt sein Gegenüber als Belohnung drei zusätzliche Aktionskarten.

Canal Grande ist ein klasse Zwei-Personen-Spiel, recht anspruchsvoll und mit angemessenem Glücksfaktor. An keiner Stelle vermisst man einen dritten oder vierten Mitspieler. Ganz im Gegenteil. Canal Grande ist keine Krücke, sondern hat aus den guten Ansätzen von San Marco erst ein richtig gutes Spiel gemacht.

Mit Schrecken habe ich gesehen, dass Adlung im Internet auch eine Vier-Personen-Variante anbietet, die mit zwei Kartenspielen gespielt werden kann. Der Schrecken ließ wieder nach, als ich bemerkte, dass es sich dabei um ein Spiel mit zwei Teams handelt. Das wiederum kann dann natürlich nur eine Krücke sein. Und Canal Grande bleibt ein blitzsauberes Zwei-Personen-Spiel.

© Harald Schrapers 2003–2008