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Die Sternenfahrer von Catan

schön: 5 Punkte games we play Tip: Das TOPspiel von Klaus Teuber

Kosmos (Redaktion: TM)

ca. 46 €

– nicht mehr lieferbar – » Neuausgabe

bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeit mittel (ab ca. 12 Jahre)

Verpackung +-

2000

ca. 20 €

bis 6 SpielerInnen

Verpackung +-

2001

Riesig groß ist das schwarze Spielbrett, eingeteilt in vertraute Sechseckfelder. Es sind nur wenige Felder bedruckt. Dort liegen die Planeten, die im Laufe des Spiels anzufliegen sind.

Erstmals gibt es ein Spiel mit der Bezeichnung Catan, bei dem sich die SpielerInnen mit ihren Schiffen richtig fortbewegen müssen. Bislang wurden Straßen oder Seehandelswege nach und nach zu einem Netz ausgebaut, jetzt ziehen Schiffe mittels einer Art Würfel flott durch die Tiefe des Raumes. Klaus Teuber legt Wert darauf, dass dies ein wesentlicher neuer Spielmechanismus sei, der die Sternenfahrer zu einem eigenständigen Spiel macht. Die Sternenfahrer sind also keine Siedler-Erweiterung. Doch warum tragen sie den Begriff Catan im Titel, wo doch auch der thematische Sprung von der kleinen catanischen Insel in ein Science-fiction-Szenario mehr als gewagt ist? Teuber antwortet auf diese Frage, dass er sich nicht - wie dies anderen Autoren geschehe - den Vorwurf gefallen lassen möchte, er würde sich heimlich selbst kopieren. Da schreibt Klaus Teuber lieber direkt in den Titel des Spiels, wo die Ursprünge des Spielmechanismus liegen.

Es gibt Getreide - Nahrung - und Erz, neu sind Treibstoff und Carbon, und als fünften Rohstoff gibt es Handelswaren. Statt Siedlungen gibt es Kolonien, die an den Schnittpunkten zwischen zwei Planeten gebaut werden können. Und statt Städte gibt es Raumhäfen. Wenn eines Kolonie zu einem Raumhafen ausgebaut worden ist, können dort Raumschiffe gebaut werden.

Wenn ich mit einem Kolonie-Raumschiff einen neuen Planeten erreiche und damit entdecke darf ich dort (wie bei manchem Seefahrer-Szenario) unter dem verdeckt liegenden Plättchen nachgucken, bei welcher Würfelzahl Rohstoffe ausgeschüttet würden. Wenn ich will, bleibe ich dann an diesem Ort und mache aus meinem Raumschiff eine fest verankerte Kolonie.

Um andere Planeten zu erreichen, würfele ich mit einem Raumschiff. Denn für etwa 80 bis 90 Mark erhalte ich nicht nur ein Spiel, sondern auch Spielzeug. Jede SpielerIn hat ein fantastisch-altmodisch aussehendes Raumschiff - das 13 cm hohe "Mutterschiff". Wenn das Raumschiff geschüttelt wird, fallen farbige Kugeln in die transparente Antriebsdüse - dieser Farbcode bestimmt, wie weit ich meine Raumschiffe auf dem Spielplan ziehen darf. Die Raumschiff erinnert an den "Orkanspender" des ebenfalls von den TM-Spielen verantworten Ab die Post oder das "Menetekel" in dem alten MB-Spiel Inkognito.

Doch damit ist das Spielzeug noch nicht ausreichend beschrieben. Denn im Laufe des Spiels kann ich das Raumschiff mit allerlei Kunststoffteilen aufrüsten. In einigen Spielsituationen bekomme ich "Ruhmesringe", die ich an der Spitze des Schiffes befestige. Und ich kann, wenn ich dafür die passenden Rohstoffe bezahle, mein Schiff mit Zusatztriebwerken, Frachträumen und Bordkanonen ausstatten. 

Bordkanonen? Wird aus den Siedlern jetzt ein kriegerisches Spiel. "Nein", sagt Klaus Teuber im Gespräch mit games we play. Er verweist dabei auf den 1996 gestorbenen Astonomieprofessor und Science-fiction-Autor Carl Sagan. Der habe geschrieben, dass Völker, die andere Sonnensysteme bereisen können, schon solange bestehen, "dass ihrer Vertreter mit ihresgleichen und anderen leben gelernt haben." Ein Geheimnis des Siedler-Erfolgs sei, dass nicht aggressiv gegeneinander gespielt werde, sondern konstruktiv und frustvermeidend. Die Siedler seien nicht Mensch ärgere dich nicht. Bei Mensch ärgere dich nicht setzt man seinen Pöppel einfach wieder ein. An einem Raumhafen würde jedoch mehrere Runden lang gebaut, was eine Zerstörung wesentlich frustrierender machen würde.

Selbstverständlich zerstört mir bei den Sternenfahrern keine MitspielerIn meine Kolonien, Raumhäfen und Raumschiffe. Auch die fremden galaktischen Völker, denen ich im All begegne, sind grundsätzlich friedlich. Wenn ich ein anderes Volk ärgere, sabotiert es mir möglicherweise ein Zusatztriebwerk. Aber damit kann ich leben. Denn so ist das Volk der Händler: es erwartet bei einer Begegnung ein großzügiges Geschenk in Form von Rohstoffen. Wenn ich mich freigebig zeige, erhalte ich tolle Gegengeschenke. Nur wenn ich zu knauserig bin - oder mit zu großer Protzerei Misstrauen errege - rächen sich die Händler mit der Sabotage der Zusatzeinrichtungen meines Mutterschiffs. 

Klaus Teuber hat den Sternenfahrern ein Kommunikationsspiel-Element mitgegeben. Immer, wenn ich mit meinem Mutterschiff "schwarz" würfele, erhalte ich zunächst eine "Begegnungskarte". Diese Karte liest mir meine linke MitspielerIn vor. Auf der Karte wird beispielsweise nach der Zahl meiner Geschenke für die besagten Händler gefragt. Auf meine Antwort hin verkündet mir die MitspielerIn dann, welche Konsequenz dieses Tun laut der vorzulesenden Karte hat. In den ersten Partien bieten die Begegnungskarten und ihren Möglichkeiten noch einigen Überraschungen und beleben das Spiel. Da es aber nur 32 verschiedenen Begegnungskarten gibt, stellt sich doch leider recht bald ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.

Ärgerlich können Begegnungen mit Piraten sein, wenn man nicht genug Bordkanonen hat. Denn die Piraten lassen sich durch ordentlich aufgerüstete Schiffe beeindrucken und recht leicht verscheuchen. Auch wer im Laufe des Spiels bei seinen Entdeckungsreisen im All auf einen Planeten stößt, der sich als Piratennest entpuppt, kann er dort nur siedeln, wenn er sein Schiff ausreichend aufgerüstet hat. Ähnliches gilt bei der Entdeckung eines Eisplaneten. Nur wessen Mutterschiff ordentlich Frachraum besitzt, wird den unwirtlichen Planeten so verändern können, dass dort der Bau einer Kolonie möglich ist.

Die SpielerIn, die 15 Siegpunkte hat, ist nach circa zwei bis drei Stunden Gewinner. Dies wird ihr sicherlich kaum gelingen, ohne mit den Handels-Raumschiffen - die alternativ zu den Kolonie-Raumschiffen gebaut werden können - Heimatbasen der fremden Völker angefahren und dort Handesstationen gegründet zu haben. Denn dort geht es nicht nur um jeweils zwei Siegpunkte. Die SpielerIn, die Freundschaft mit den galaktischen Völkern aufgenommen hat, partizipiert an deren speziellen Fertigkeiten. Wer durch eine Handelsstation mit den Händlern Kontakt aufgenommen hat, erhält eine Freundschaftskarte, die es erlaubt, einen bestimmten Rohstoff zum günstigen Kurs von zwei zu eins zu tauschen. Freundschaftskarten des wissenden Volkes erhöhen die Kampfkraft und die Geschwindigkeit eines Mutterschiffs. Die Karten des grünen Volkes sorgen für einen erhöhten Rohstoffertrag. Und die Diplomaten erlauben einem beispielsweise, zusätzliche Ruhmesringe kaufen oder bei Spielern mit mehr Siegpunkten, als man selber hat, Rohstoffe zu ziehen.

Die Sternenfahrer sind ein außerordentlich bemerkenswertes Spiel. SpielerInnen, die vorzugsweise komplexe Spiele mit sehr langer Spieldauer mögen, erwarten zumeist besondere Ansprüche an Taktik und Strategie, ohne einem Glücksfaktor unterworfen zu sein. Solchen Erwartungen werden die Sternenfahrer wohl nicht gerecht. Sicherlich geht es auch hier zum Teil um Stategie und Taktik. Doch Klaus Teuber möchte auch mit diesem Spiel das breite Spielerpublikum erreichen. Den, gegenüber den alten Siedlern von Catan, erheblich erweiterten strategischen Möglichkeiten stehen zusätzliche Glückselemente gegenüber. Nicht nur für den Rohstoffertrag wird gewürfelt, auch die Flugweite der Raumschiffe wird durch Würfeln ermittelt. Die Ziffer auf dem Ertragsplättchen eines Planeten ist zunächst verdeckt und muss erst entdeckt werden. Und schließlich gehört einiges an Glück dazu, um auf die Frage einer Begegnungskarte die Antwort zu geben, die das fremde Volk erfreut.

Wer die Spielregeln der Siedler von Catan kennt, wird sich auch bei den Sternenfahrern sofort heimisch fühlen. Deren Regeln sind zwar weitaus umfangreicher, doch sie bauen gut durchschaubar auf den bekannten Regelelementen auf. Und das ausgewogenen Verhältnis zwischen Taktik und Glück sorgt dafür, dass die Sternenfahrer zu einem beliebten Spiel bei allen Siedler-FreundInnen werden. 100.000 Spiele wurden - trotz des recht hohen Preises - bis zum Jahresende 1999 innerhalb von kaum mehr als zwei Monaten verkauft.

© games we play 1999-2020 - Harald Schrapers