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Kitchen Rush

4 von 6 Punktenvon Dávid Turczi und Vangelis Bagiartakis

Pegasus Spiele (Redaktion: Sebastian Hein, Lizenz: Artipia Games)

Illustration: Bartłomiej Kordowski, Natalia Kordowska

ca. 40 €

2 bis 4 SpielerInnen (am besten: 3 bis 4)

Schwierigkeit einfach (ab ca. 10 Jahre)

Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2020

Der Gast kommt in unser Restaurant und bestellt einmal Lasagne Quattro Formaggi. Er hat nicht viel Zeit, und es werden noch mehr Gäste erwartet – also Zack, Zack. Sanduhr umdrehen, Rezept lesen, einen passenden Teller nehmen. Kurz durchschnaufen, Sanduhr wieder umdrehen, in eine der beiden Vorratskammern sausen und dort die im Rezept verlangte Menge Pasta und Käse nehmen. In die Küche rennen, die Sanduhr wieder umdrehen und jetzt wird gekocht. Und die Sanduhr wird noch einmal umgedreht, weil das Gericht zwei Zeiteinheiten benötigt, um fertig zu werden und dem Gast zu servieren.

Das war ein ganz einfaches Rezept. Die Ansprüche der Gäste und die Spielregeln nehmen mit jedem der in der Anleitung beschriebenen acht Szenarien zu. Felafelsalat mit gebackenen roten Linsen, gewürzt mit extra Pfeffer, mögen die vegetarischen Gäste, während andere das pikante Grillhähnchen mögen, das mit Salz, Pfeffer und Chili abgeschmeckt wird.

Jedes Szenario dieses kooperativen Spiels bedeutet mehr Hektik. Am Anfang laufen wir zwischen Gastraum mit Empfangsbereich, dem Schrank mit den Tellern, den beiden Vorratskammern und der Küche mit dem großen Herd hin und her. Später kommen unter anderem der Kräutergarten, eine Spülküche, ein Büro mit der Kasse und ein Lieferfahrzeug hinzu. Wir stellen, wenn wir den Raum wechseln, dort die Sanduhr unserer Farbe hin, führen die jeweils möglichen Aktionen durch, und warten bis zum Durchlauf des Sandes. Dann geht es zur nächsten Position im Restaurant, hoffend, dass der dortige Sanduhrplatz nicht schon besetzt ist. Dann müsste man warten oder erst einen anderen Job machen.

Dieses Spiel macht trotz des Stresses viel Spaß, denn es ist eine besondere Herausforderung. Es fühlt sich tatsächlich so an, wie man sich den Ablauf in einer gut besuchten Gaststätte vorstellt. Das klappt alles nur, wenn man hoch konzentriert an die Arbeit geht. Das macht Kitchen Rush zu einem sehr ungewöhnlichen Spiel. Die in einem Brettspiel üblichen taktischen Entscheidungen gibt es hier nur sehr wenig. Man kann überlegen, ob es besser ist, mehrere Rezepte gleichzeitig zu bearbeiten oder ein Gericht nach dem anderen zu kochen. Der Rest des Spiels beruht auf guter Absprache zwischen den beteiligten Köchen, gegebenenfalls sinnvoller Arbeitsteilung und darauf, dass alles so funktioniert, wie geplant. Funktioniert heißt: Die Mitspielenden müssen funktionieren. Kitchen Rush ist Arbeit, und man ist nach ein paar Szenarien recht erschöpft.

Wie viele Gäste man erfolgreich bekocht hat beziehungsweise (ab Szenario 3) wie viel Geld man eingenommen hat, entscheidet über Sieg und Niederlage. Ab Szenario 2 dauert eine Partie vier Minuten, wenn man Kitchen Rush „normal“ spielt. Wenn man es als „Familie“ spielt, soll die Handy-Stoppuhr erst nach fünf Minuten klingeln. Wobei es mir nicht erschließt, warum man weniger Zeit bekommt, wenn man beispielsweise mit Nachbarn spielt als im Familienkreis. Zumal der Autor der Spielanleitung einen reichlich seltsamen Gegensatz zwischen einer „normalen“ Spielerrunde und einer „nicht-normalen“ Familie konstruiert.

Das Spiel ist mit seinen acht Szenarios aufwändig aufgebaut. Immer wieder kommen Elemente auf dem achtteiligen Spielplan hinzu, weil dieser doppelseitig bedruckt ist. Auch Gewürze, Münzen, Spielkarten mit anspruchsvollen oder gar VIP-Gästen sind nicht von Anfang an dabei. Das heißt, dass jedes Szenario anders aufgebaut wird. Mal kommen zwei, mal vier, dann sechs oder fünf Brote in die Vorratskammer sowie vier, fünf, nur einer, dann wieder vier runde saubere Teller in den Schrank. Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen, weil damit die Aufbauzeit zwischen den Partien mindestens so lange wie die eigentliche Spielzeit dauert.

Fraglich ist, wie viele Menschen Kitchen Rush wirklich bis Szenario 8 erleben. In einem Rutsch wird man es wohl kaum durchspielen. Und wenn man es nicht nach kurzer Zeit erneut auf den Tisch bringt, muss man sich Kitchen Rush wieder neu verinnerlichen. Einfach nur durchlesen reicht nicht – die Automatismen müssen schrittweise eingeübt werden, weil man während der vier hektischen Spielminuten keine Zeit hat, nachzuschauen oder zu fragen, wie dieses oder jenes Detail funktioniert. Sondern man ruft das, was dringend nötig ist: Wer empfängt weitere Gäste? Ich habe das letzte Salz aus dem Gewürzbeutel genommen! Wer geht spülen?

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