games we play

Babel

schön: 5 Punkte games we play Tip: Das TOPspiel Raffiniertes Machtspiel für Zwei

von Uwe Rosenberg und Hagen Dorgathen

Kosmos (Redaktion: TM)

ca. 14 €

– nicht mehr lieferbar –

2 SpielerInnen

Schwierigkeit mittel (ab ca. 12 Jahre)

Verpackung -

Auswahlliste Spiel des Jahres 2001

8. Platz Deutscher Spiele Preis 2001

Eine wichtige Idee entsprang dem Asterix-Heft Die Odyssee, erzählt Hagen Dorgathen, der sein erstes Spiel zusammen mit Uwe "Bohnanza" Rosenberg entwickelt hat. Auf dem Weg nach Mesopotamien treffen Asterix und Obelix auf diverse Völker, die sich permanent mit Pfeilen beschießen. Und so entstand ein Zwei-Personen-Spiel, in dem Assyrer, Hethiter, Meder, Perser und Sumerer an ihren Bauplätzen um die Errichtung der höchsten Tempel wetteifern.

Die Völkerkonstellation des Asterix-Bandes war von den Autoren zunächst auf den historischen Wahrheitsgehalt überprüft worden. "Mit viel gutem Willen" sei das so in Ordnung gegangen, meint Dorgathen. Vielleicht würden die Meder nicht so richtig dazupassen. "Die sind ein Bergvolk, über das man nicht viel weiß." Klar sei aber, dass alle irgendwann einmal die Assyrer getroffen hätten.

Man merkt schnell, dass Dorgathen und Rosenberg viel Wert auch auf die thematische Gestaltung des Spiels gelegt haben. "Das war unser Thema und der Verlag hat es übernommen." Kritikern, die zwar den Spielmechanismus für erstklassig halten, das Thema aber für nur bedingt passend, antwortet Rosenberg: "Draufgesetzt kann man uns garantiert nicht vorwerfen."

Trotzdem: Das wirklich Beeindruckende an Babel ist der Spielmechanismus und der Spielablauf. Denn der verspricht hochkarätige Spannung für viele Runden in - nicht so trauter - Zweisamkeit.

Der Spielplan, der sich trennend zwischen den beiden SpielerInnen erstreckt, bietet Platz für zwei mal fünf Bauplätze. Beide SpielerInnen haben zu Beginn acht Völkerkarten auf der Hand, später werden regelmäßig welche nachgezogen. Außerdem gibt es quadratische Tempelbaukarten und zwei Spielfiguren, die anzeigen, auf welchem der fünf Bauplätze man sich befindet. (Um noch mal vom Spielablauf abzulenken: Bei den Spielfiguren handelt es sich um Anker-Modellbausteine, einem 120 Jahre alten Bauspielzeug, das heute wieder neu entdeckt aus Quarzsand, Kreide, Naturfarben und Leinöl hergestellt wird.)

Die Völkerkarten haben drei Funktionen. Zum einen bewegen sie - durch das Ablegen der passenden Karte - die Spielfigur an den Bauplatz dieses Volkes. An diesem Platz darf die SpielerIn dann Völkerkarten offen auslegen - dies ist die zweite Funktion. Die Anzahl der ausgelegten Völkerkarten bestimmt die maximale Höhe, bis zu der an dieser Stelle der Tempel gebaut werden darf. Zum dritten bedeutet ein Drilling eine besondere Völkerfähigkeit. Diese Fähigkeiten werden aktiviert, wenn von drei zusammenliegenden gleichen Völkerkarten eine auf den Ablagestapel gelegt wird. Da man jede Runde drei an einem Bauplatz oben liegende Völkerkarten "wandern" lassen kann, versuchen die SpielerInnen, durch Geschick möglichst viele Drillinge entstehen zu lassen.

Die Sonderfähigkeiten der Völker machen einen besonderen Reiz des Spiels aus. Die Assyrer lassen den gegnerischen Tempel einstürzen. Die Hethiter rauben die oberste Etage eines gegnerischen Turms und bauen ihn auf der eigenen Seite an. Die Meder lassen ein Volk auf der anderen Seite komplett verschwinden. Bei den Sumerern wechselt ein Volk auf die eigene Seite. Und die Perser versetzen einen in die Lage, beim eigenen Tempel eine Baustufe zu überspringen.

Die Baustufen auf den Tempelbaukarten sind mit den Ziffern eins bis sechs bezeichnet - dies sind gleichzeitig die alles entscheidenden Siegpunkte. Die Baustufen müssen bei einem Turm in der richtigen Reihenfolge aufeinander gelegt werden. Im Laufe des Spiels werden von den SpielerInnen die Baukarten auf zwei Kartenstapeln aufgedeckt. Es können jedoch immer nur die obersten Karten verwendet werden. So hat zu Spielbeginn die SpielerIn Glück, bei dem Karten mit niedrigen Baustufen offen liegen. Später können höhere Ziffern wichtig sein.

Babel kann beim ersten Mal sehr frustrierend wirken. Denn die Völkerfähigkeiten haben eine sehr destruktive Wirkung. Kaum hat man irgendwo einen Tempel bis zur maximalen Höhe von Sechs ausgebaut, zerstören einem die gegnerischen Assyrer diesen Turm schon wieder. Das heißt: Babel ist sicherlich kein Spiel, bei dem die SpielerInnen quasi solitär ihre Tempel zu großen Höhen wachsen lassen können. Sondern die gegnerische Seite muss immer ganz genau im Auge behalten werden. Man lernt, die konstruktiven und die destruktiven Möglichkeiten gleichermaßen einzusetzen.

Bei den Siegbedingungen des Spiels findet sich ebenfalls eine konstruktive und eine destruktive Seite. Gewonnen hat wer 15 Siegpunkte erreicht - unter der Voraussetzung, dass die MitspielerIn in diesem Moment weniger als zehn Punkte hat. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, tritt das Spiel in seine zweite Phase. Dann gewinnt nämlich, wer sich konstruktiv 20 Siegpunkte erarbeitet oder wer - destruktiv - die GegnerIn auf unter zehn Punkte drückt.

Welche Taktik die richtige ist, hängt vom Kartenglück ab. Wichtig ist auf alle Fälle, die Defensive nicht zu vernachlässigen. Es ist besser, zunächst viele kleine Tempel mit ein oder zwei Stufen aufzubauen. Der sich manchmal bietenden Möglichkeit, in einem Zug einen Turm gleich bis Ebene Sechs auszubauen, sollte man auch widerstehen können. Denn dieser Tempel stürzt schneller ein, als man ahnt.

Uwe Rosenberg wird - als der Bekanntere - entgegen des Alphabets auf der Schachtel als Erster genannt, der Debütant Hagen Dorgathen an zweiter Stelle. Sie haben das Spiel nicht mittels Fax - Wolfgang Kramer erreichte so seine größten Erfolge - entwickelt, sondern im direkten Kontakt. Beide wohnen in Dortmund und haben ihr babylonisches Spiel in unzähligen Testrunden in der Uni-Mensa erarbeitet. Offenkundig ist ein Autoren-Duo eine optimale Konstellation, um ein Zwei-Personen-Spiel zu entwickeln.

Auf der Essener Spiel '00 waren Dorgathen und Rosenberg jeden Vormittag in einer "Autorenwerkstatt" zu beobachten. Sie waren damit beschäftigt, eine Babel-Erweiterung zu entwickeln, die das Spiel mit "babylonischer Sprachverwirrung" ausstattet. Bislang gibt es zwar noch keine Planung, dass diese Erweiterung tatsächlich erscheint. Auszuschließen ist es jedoch nicht, insbesondere dann nicht, wenn die Verkaufszahlen die der erfolgreichsten Titel der Spiele für Zwei-Reihe von Kosmos erreichen können, zum Beispiel die von Caesar & Cleopatra mit seiner längst im sechsstelligen Bereich liegenden Auflage. Im Vergleich zu diesem Spiel ist Babel deutlich komplexer, hat aber trotzdem ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Taktik und Glück. Das spielerische Potenzial für ein Erfolgsspiel besitzt Babel.

© Harald Schrapers 2000-2008