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Cryptid

5 von 6von Hal Duncan und Ruth Veevers

Skellig Games / Osprey Games (Redaktion: Joachim Joch, Beate Heinke)

Illustration: Kwanchai Moriya

ca. 40 €

3 bis 5 SpielerInnen

Schwierigkeiteinfach (ab ca. 10 Jahre)

Nominiert für das Kennerspiel des Jahres 2022

Brettspielpodcast | kryptische Hinweise, seltsame Fabelwesen »

Ein Cryptid ist ein mythisches Fabelwesen, so wie ein Jeti. Es lebt auf einer ganz bestimmten Stelle auf dem mehr als hundert Hexfelder großen Spielplan. Dieser besteht aus Wüste, Wasser, Sumpf, Gebirge und Wald plus Bär- und Puma-Reservaten. Außerdem befinden sich ein paar Hinkelsteine und Hütten auf dem Brett. Mein Ziel ist, den einen Ort zu finden, wo das Fabelwesen lebt – und dabei möchte ich schneller als die Mitspielenden sein. Zuerst bekommt jede Mitspielerin einen geheimen Hinweis. Beispiel: Das Cryptid befindet sich auf Wüste oder Wald. Oder: Es ist im Umkreis von zwei Feldern um einen Hinkelstein. Die Hinweise sind so aufeinander abgestimmt, dass es letztlich exakt einen Punkt gibt, der der richtige ist. Dieses Spielplanfeld müssen wir entdecken. Dass dies funktioniert, ist für viele Spielende anfangs recht verblüffend, was gleichzeitig faszinierend ist..

Im konkreten Spielablauf zeige ich auf ein Feld des Spielplans und suche mir eine Mitspielerin aus. Meine Frage an sie: Kann das Crpytid hier sein? Die Antwort ist eine Holzscheibe für „ja“ oder ein Würfel für „nein“. Eins von beiden legt die Mitspielerin gemäß ihres Wissens aufs das Spielbrett, wo es liegen bleibt und so zum Fundus an Hinweisen kommt, um mittels Deduktion irgendwann den richtigen Punkt erraten zu können.

Der Einstieg ins Spiels ist aber holpriger als es das logische Ende vermuten lässt. Cryptid ähnelt dem im Vorjahr erschienenen The Key. Auch das ist eine Deduktionsspielvariante, die entfernt an Mastermind erinnert. Bei Cryptid, genauso wie bei The Key, sind alle Spieler auf sich allein gestellt, und man darf außerhalb des Notwendigen nichts sagen. Also kann man kaum Regelnachfragen stellen, ohne sich zu verraten, und die Mitspielerinnen können einen auch nicht auf Fehler und Missverständnisse aufmerksam machen. Das macht den Einstieg ins Spiel sehr schwer. Denn nur ein einziger Fehler kann dazu führen, dass Cryptid unlösbar wird.

Cryptid ist stringenter und abstrakter als The Key, das mit unterschiedlichen und thematischeren Hinweisen eine Geschichte erzählt. Die Cryptid-Thematik ist hingegen mehr schlecht als recht auf den Mechanismus gestülpt worden. Allerdings ist es wegen der mathematischen Logik ein klein wenig einfacher zu spielen – wenn man es denn hinbekommt.

Leider ist die Spielregel nicht wirklich hilfreich. Die Bezeichnungen sind entweder ungelenk – warum heißen Hinkelsteine und Hütten „Struktur“? – oder undeutlich symbolisiert – Bär und Puma sind kaum zu unterscheiden. Auch der Hinweis, dass sich das Cyptid im Umkreis von einem Feld um ein bestimmtes Gebiet befindet, ist sprachlich verwirrend. Denn auch das Gebirge selbst ist gemeint.

Auf der Rückseite der Spielschachtel wird eine App angepriesen, mit der das Spiel schneller zu spielen sei: doch leider ist die auf Englisch, Französisch, Italienisch und Chinesisch, was man aber erst erfährt, wenn man die Schachtel geöffnet hat. Das ist ärgerlich: Denn man hätte die wenigen Sätze in der eigentlich gut funktionierende Web-App, die ohne vorherigem Download im Browser geöffnet wird, problemlos ins Deutsche übertragen können. Doch stattdessen müssen wir die englische Variante verwenden, und zu den undeutlichen Begrifflichkeiten und Definitionen in der deutschen Sprache gesellen sich jetzt auch noch englische sprachliche Feinheiten. Leider gibt es in der deutschen Cryptid-Ausgabe keine englische Anleitung, die es ermöglicht, sich auf eine Sprache konzentrieren – sondern muss sich in eine englisch-deutsches Gewirr begeben.

Doch Abseits von den Einstiegsprobleme ist die spielerische Faszination bei mir bislang ungebrochen. Obwohl ich mir – was ich eigentlich nicht mag, aber hier tatsächlich erlaubt ist – mittlerweile Notizen während einer Partie mache. Gerade in größeren Runden hilft es mir, meinen Verdacht, wo meine Mitspielerin das Cryptid vermutet, zu notieren. Dann muss ich nicht jedes Mal meine Gedanken neu sortieren, wenn ich einen weiteren Hinweis bekomme. Solange niemand mit vollständigen Tabellenübersichten versucht, für die Lösung einen womöglich mathematisch perfekten Weg zu finden, gefällt mir das Spiel. Denn dann bleibt Spielraum für Intuition, was bei der Suche nach einem Fabelwesen unverzichtbar sein sollte.

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