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Hitster

5 von 6games we play Tip: Das TOPspiel Das Musik-Kartenspiel

von Marcus Carleson

Jumbo

ca. 25 €

2 bis 10 SpielerInnen (besser: 2 bis 4 Teams)

Schwierigkeiteinfach (ab ca. 10 Jahre)

Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2023

9. Platz Deutscher Spiele Preis 2023

Brettspielpodcast | Die Party, die man nicht verpassen darf »

Eurythmics’ Sweet Dreams ist meine Startkarte – ein Hit von 1983. Dann nehme ich die nächste Karte vom verdeckten Stapel, scanne den QR-Code, der sich auf der Rückseite befindet, mit einem Smartphone und der Hitster-App ein. Den nun zu hörenden Musiktitel muss ich zeitlich einordnen – älter oder jünger als Sweet Dreams? Ich sage älter und drehe die Karte um: Joseito Fernandez mit Guantanamera von 1929. Das war einfach. Aber so alte Stücke sind selten. Das Meiste ist ein toller Mix mit den besten Hits der siebziger, achtziger, neunziger und nuller Jahre. Aber auch Drake mit Toosie Slide von 2020 ist dabei. Das gibt auch der jüngeren Generation die Chance, mal etwas besser zu wissen. Knifflig wird es, wenn Grönemeyer mit Männer erklingt. Muss ich die Karte vor oder nach Sweet Dreams 1983 einsortieren? Das ist knapp: 1984 lautet die Antwort.

Hitster, das 2021 als Kickstarter-Projekt in Schweden begonnen hat, ist ein Partyspiel. Und zwar eins, das den Namen verdient hat, denn hier kommt echte Partystimmung auf, inklusive Schunkeln und Mitsingen. Der Spielmechanismus greift auf Anno Domini zurück, wo in diversen Themengebieten historische Ereignisse sortiert werden. Nichts muss man genau wissen, sondern nur so ungefähr. Und zum Spielende hin wird es für erfolgreiche Jahreszahlrater immer schwieriger, weil die zeitlichen Abstände der bereits liegenden Karten immer geringer werden.

Wer möchte, kann bei Hitster auch Titel und Interpret raten. Wer richtig liegt, gewinnt einen Chip, so eine Art „Streberpunkt“. Mit diesem Chip kann man die gegnerischen Tipps anzweifeln und bei Erfolg deren Karten klauen und bei sich einsortieren. Glücklicherweise ist das Titel-Interpret-Raten aber nicht der Kern dieses Spiels. Denn richtig gut ist Hitster, wenn es nicht um stumpfe Wissensabfrage geht, sondern das Ungefähr reicht.

Es gibt technischen Voraussetzungen, um Hitster zu spielen – mit dem Spiel selbst ist es nicht getan. Ob dann das Preis-Leistungsverhältnis stimmt, muss jeder für sich selbst einschätzen. Man benötigt ein mit einem Netz verbundenes Smartphone für die Hitster-App: Es muss kein iPhone sein, ein preisgünstiges Android-Handy reicht aus. Man braucht eine Bluetouth-Box oder die Möglichkeit, das Telefon an eine Musikanlage zu koppeln: Plärrende Handylautsprecher taugen höchstens als Notbehelf. Und man benötigt einen Audio-Streaming-Dienst, der Geld kostet: und zwar vom europäischen Anbieter Spotify, der auf Android-Handys ziemlich weit verbreitet ist. Nach einem Probemonat kostet Spotify 9,99 Euro, Studierende zahlen 4,99 Euro, und das Abo ist jederzeit kündbar. Ist das zu teuer? Viele Künstlerinnen meinen, dass das eher zu billig ist: Musik sei mehr wert und bei ihnen kämen nur Centbruchteile an.

Die Hitster-App und die Spotify-App arbeiten auf dem Smartphone zumeist verblüffend reibungslos zusammen. Und da man Hitster am besten in großen Gruppen spielt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand am Tisch bereits einen bezahlten Zugang zu Spotify – „Premium“ genannt – besitzt, recht hoch.

Die Entscheidung, dass das Spiel auf etwas zurückgreift, was viele Leute eh schon besitzen, halte ich für richtig. Denn die Alternative wäre, dem Spiel ein Gerät mit QR-Code-Reader, Lautsprecher und W-Lan beizulegen, das dann zwar ohne Zusatzkosten den unbeschränkten Zugriff auf die nötigen 300 Spotify-Songs bietet, aber den Verkaufspreis des Spiels mindestens verdoppeln würde.

Als Behelf funktioniert Hitster auch mit einem werbefinanzierten Spotify-Account. Aber hier kann eine Person nicht mitspielen, weil Titel und Interpret auf dem Handydisplay zu sehen sind. Außerdem werden nur 30 Sekunden aus der Mitte der Stücke abgespielt. Dann hört man sofort den Refrain und ist sehr schnell mit dem Spiel fertig. Wer echte Partystimmung will, möchte die Stücke von Anfang an hören und nicht schnell fertig werden.

Die Spielanleitung ist in der App untergebracht, was unpraktisch ist, wenn man nur mal schnell etwas nachschauen will. Es gibt drei Varianten zur Grundregel: „Pro“ – dann muss man nicht nur richtig sortieren, sondern auch Interpret und Titel nennen. „Expert“ – dann muss man zudem das exakte Jahr sagen. Diese Varianten nehmen dem Spiel leider die lustig-spielerische Note, und machen aus Hitster eine Wissensabfrage für Besserwisser. Eine gute Spieleredaktion hätte die Varianten anders gestaltet und das Jahreszahlensortieren als Kern des Spiels gestärkt. Gut ist hingegen die dritte Variante, in der man in einem gemeinsamen Team kooperativ spielt.

Mein Tipp: sich mit den Spielregeln nicht lange aufhalten, denn bei Hitster verhält es sich so, wie in vielen anderen Kommunikationsspielen – der Spaß entspringt nicht aus der Wertung und den Regelungsdetails, sondern entsteht duch unsere einer Kreativität und Freude, während wir am Tisch sitzen. Deswegen stören mich die redaktionellen Schwächen, die das Spiel zweifelsohne besitzt, fast gar nicht. Für mich ist Hitster ein brillantes Partyspiel, wenn man sich auf die Musik und die Jahreszahlen konzentriert, und die restlichen Regeln beiseite lässt. Ich verwende die Chips jedenfalls nur noch als Tie-Breaker für den Fall, das es am Ende ein Unentschieden gibt. Außerdem spiele ich Hitster am liebsten mit mehreren Teams, am besten generationsgemischt. Dann kann man sich untereinander helfen und es macht noch mehr Spaß.

© · games we play 2023–24

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