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Notre Dame

schön: 5 PunkteMacht und Machenschaften im Schatten der Kathedrale

von Stefan Feld

Alea Ravensburger (Redaktion: Stefan Brück)

ca. 35 €

– nicht mehr lieferbar –

2 bis 5 SpielerInnen

Schwierigkeiteinfach (ab ca. 10 Jahre)

Neuauflage 2017

2. Platz
Deutscher Spiele Preis 2007

Empfehlungliste Spiel des Jahres 2007

Ein Spiel, dessen Prototyp bei der Scoutaktion auf den Essener Spieltagen mit der Wahnsinnsnote 1,3 abräumte, hat es nicht leicht. Ein Übermaß an Vorschusslorbeeren kann schnell zu Enttäuschungen führen. Und so ging es mir prompt beim ersten Spiel. Notre Dame fehlt es derart an Interaktion zwischen den Spielern, dass ich mir zunächst nicht sicher war, ob ich die Spielregel verstanden habe. Daran lag es aber nicht. Begriffen habe ich die Notre-Dame-Anleitung von Anfang an. Nach zwei bis drei Partien habe ich das Spiel dann in seiner Tiefe kennengelernt, verstanden und mag es seitdem.

Wenn ein Spiel keine Interaktion hat ist es vermutlich ein Optimierungsspiel, denkt sich der erfahrene Spieler. Doch das stimmt hier nicht. Am Spielende ist nichts optimal – außer hoffentlich die Zahl der Siegpunkte. Man hinterlässt einen rattenverseuchten Stadtteil, hat alles Geld ausgegeben und die so genannten Einflusssteine liegen wild verteilt in irgendwelchen Gebäuden.

Jeder Spieler hat ein eigenes Spielbrett, das einen Stadtteil von Paris abbildet. Die Mitte des Gesamt-Spielplanes stellt das Notre-Dame-Plättchen dar. Windmühlenflügel-ähnlich docken die Stadtteile an diese Kathedrale an. Das ist notwendig, weil es doch ein wenig Interaktion gibt. Alle Spieler konkurrieren um die in der Kathedrale zu gewinnenden Siegpunkte. Außerdem gibt es Kutschen, die die Stadtteilgrenzen überwinden.

Letztlich sind dies aber nur zwei von neun Aktionsmöglichkeiten. Jeder Spieler besitzt neun Spielkarten, die diese Aktionen abbilden. Drei Durchgänge werden gespielt, pro Durchgang kommen pro Spieler sechs Aktionen zum Zuge.

Ich ziehe drei Aktionskarten, suche mir die für mich beste aus und gebe zwei Karten an meinen linken Nachbarn weiter. Ich selbst erhalte von rechts zwei Karten, von denen ich eine nehme und eine weitergebe. Letztlich habe ich drei Karten, von denen ich eine ungespielt weglege.

Ich bin dabei vollauf damit beschäftigt, zu gucken, welche Karte ich selbst brauche. Den Spielraum, den Nachbarn mit einer ihm nicht passenden Karte zu ärgern, habe ich selten.

Die unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten korrespondieren mit den Gebäuden in meinem Stadtteil. Ich spiele die Karte aus, lege einen Einflussstein auf das dazugehörige Gebäude und bekomme etwas. Vier „Stellschrauben“ kennt das Spiel: Einflusssteine, Geld, die „Rattenskala“ und die letztlich entscheidenden Siegpunkte, die sich hier „Prestigepunkte“ nennen. Irgendetwas davon gibt es zu gewinnen – und manchmal zu verlieren.

Am Anfang habe ich gedacht, es gehe darum, eine perfekte Strategie für Notre Dame zu entwickeln. Schließlich gibt es ja nur eine beschränke Anzahl und Reihenfolge von Aktionen, und jeder Spieler hat genau die gleichen Aktionskarten. Doch ich habe mich getäuscht. Es gibt verschiedene Strategien, die einem die begehrten 50 bis 70 Siegpunkte für eine gute Platzierung ermöglichen – im Extremfall soll es auch schon mal mehr als 80 Punkte gegeben haben.

Letztlich ist es genau das, was dieses Spiel zu einer spannenden Herausforderung macht. Denn wenn es den optimalen Ablauf gäbe, hätte sich der Spaß irgendwann erschöpft. Dann würde ich Notre Dame in allen Details kennen und könnte es dekorativ in meinen Spieleregalen verstauben lassen. So bleibt aber das Einstellen auf immer wieder sich verändernde Situationen.

Die wichtigste Aktion ist es, einen Einflussstein auf die Klosterschule zu legen. Das habe ich hinsichtlich einer guten Eröffnungsstrategie herausgefunden. Zwar gibt es dort nichts anderes zu gewinnen, als Einflusssteine. Aber ohne die geht es nicht. Denn ich starte mit nur vier dieser Steine.

Wenn ich meinen ersten Stein auf das Feld der Klosterschule lege, bekomme ich gerade mal einen zurück. Wenn ich später einen zweiten Stein dazutue, gewinne ich zwei Einflusssteine – und so weiter. Diesen „kumulierenden“ Effekt muss ich nutzen, um am Ende wenigsten 12 meiner maximal 14 möglichen Spielsteine genutzt zu haben. Mit weniger Einflusssteinen ist es sehr schwierig, zu gewinnen.

Neben der „Klosterschule“ sind noch weitere Gebäude interessant. In der „Bank“ tausche ich Einflusssteine gegen Geld. Geld braucht man immer, allerdings nicht unbedingt besonders viel.

Im Hospital und im Park kann ich die Ratten bekämpfen. Die Ratten sind ein wenig das thematische Highlight diese Spiels, obwohl sie nicht besonders appetitlich sind und im ausgehenden 14. Jahrhundert für verschiedene Seuchen verantwortlich gemacht wurden.

Irgendwie ist das Ambiente diese Spiels eh ein wenig düster. Denn richtige Erfolge bei der Rattenbekämpfung feiert man selten. Und dies ist auch gar nicht so wichtig. Nur die eigene Rattenskala sollte nicht allzu früh über den Wert 9 ansteigen. Denn dann droht der Verlust von zwei Siegpunkte und – was noch schlimmer sein kann – der eines Einflusssteins.

In jeder Runde kommen neue Ratten dazu. Die Zahl wird durch zufällig aufgedeckte Karten bestimmt. Mit Investitionen ins Hospital oder den Park gehe ich gegen die Rattenplage an. Dabei reicht es, wenn die Skala zwischen 8 und 9 pendelt – denn zuviel Engagement bringt mir nichts ein.

Außerdem interessant: die Kutsche. Wenn ich sie bewege, kann ich Chips mit bis zu vier Siegpunkten auf dem Spielbrett einsammeln. Das ist eine durchaus bedeutende Zahl. Dabei hilft es mir, wenn mir die Mitspieler die wertvollen Chips noch nicht weggeschnappt haben. Hier gibt es eine echte Konkurrenz.

Die Aktionsmöglichkeit Notre Dame, die dem Spiel den Namen gibt, ist eher enttäuschend. Man kann nämlich ohne sie gewinnen. Die Aktion ist vergleichsweise teuer. Den dort eingesetzten Einflussstein verliere ich nämlich, und ich muss mindestens eine Münze investieren. Zu gewinnen gibt es im Drei-Personen-Spiel acht Siegpunkte, zu viert sogar zehn. Aber: die Punkte teilen sich die beteiligten Spieler. Zu dritt hat man gelegentlich die Chance, allein die acht Punkte zu kassieren – das lohnt sich. Und ansonsten muss man aufpassen, dass nicht einer der Mitspieler die Punkte abgreift.

Spielentscheidend ist es, mit den so genannten Personenkarten optimal umzugehen. Am Ende einer jeder Runde stehen drei zu Verfügung. Jeder Spieler darf eine dieser Personen bestechen. Dies bedeutet, dass er für eine Münze die Sonderfunktion auslöst. Enorm wichtig sind die neun grauen Personenkarten, mit denen es manchmal gelingt, bis zu zwölf Siegpunkte auf einen Schlag zu kassieren. An der Spitze steht der Bürgermeister, er schüttet für jedes Gebäude mit drei Einflusssteinen drei Siegpunkte aus. Er taucht im dritten Drittel des Spiels auf. Zum Vergleich: der Gildemeister, dessen Karte in der Mitte des Spiels aufgedeckt wird, vergibt zwei Punkte für jedes Feld mit zwei Steinen.

Wenn Notre Dame ein Optimierungsspiel ist, dann in Hinblick auf die Personenkarten. Da ein erfahrener Spieler ungefähr weiß, wann welche kommt, sollte man seine Stadtteilgestaltung auf diese Wertungen vorbereiten.

Insgesamt muss man immer im Blick haben, den Ablauf zu optimieren. Der kleinste Leerlauf kann am Ende die entscheidenden Punkte kosten. Allerdings ist nicht alles planbar. In welcher Reihenfolge ich Aktionskarten ziehe, ist Glückssache. Wenn ich Pech habe, ziehe ich auf einen Schlag drei für mich wichtige Aktionen – und muss zwei dieser Karten an meine Mitspieler weiter geben.

Notre Dame ist perfekt gemacht. Alles ist fein aufeinander abgestimmt, ist abwechslungsreich und spannend. Es ist eine taktisch-strategische Herausforderung, die trotzdem genug Zufallselemente hat, um nicht allzu verkopft daher zu kommen.

Nur von Schönheit kann man bei Notre Dame nicht sprechen. Dazu sind zu viele Ratten im Spiel – optisch betrachtet. Auch der Spielablauf ist davon betroffen. Denn es gibt kein thematisches Spielziel, es entsteht kein blühendes Paris. Sondern man agiert optimalerweise immer knapp an der Katastrophe vorbei. Denn Geld und Ratten sind am Ende uninteressant, allein die abstrakten und schnöden Siegpunkte zählen.

Notre Dame ist so gesehen ein recht sprödes Spiel. Der Ablauf selber kann hingegen begeistern. Zumal das Ganze flott zu spielen ist. Mit ein bisschen Erfahrung kann man es auch mit einer Vierer-Runde in einer Stunde schaffen. Denn die fehlende Interaktion hat einen Vorteil: Alle können gleichzeitig über ihren Zug nachdenken, man muss selten auf den Zug des Mitspielers reagieren. Notre Dame ist eine Top-Empfehlung für jede Spieleranzahl.

[ brettspielwelt.de: Notre Dame online spielen ]

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