games we play

Um Reifenbreite

Spiel des JahresAuf der Jagd nach dem Gelben Trikot

von Rob Bontenbal

Jumbo

ca. 30 Euro

– nicht mehr lieferbar–

bis 4 SpielerInnen

super: 6 Punkte games we play Tip: Das TOPspielSchwierigkeit einfach (ab ca. 10 Jahre) 

Neuauflage 2002

Spiel des Jahres 1992 

2. Platz Deutscher Spiele Preis 1992

Um Reifenbreite hat das Zeug zum Kultspiel. Schon als es 1992 erschien, eilte ihm der Ruf des niederländischen Originals Homas Tour voraus, obwohl es kaum einer kannte. Und als es den Spiel des Jahres-Titel bekam, konnte es die üblichen hohen Verkaufszahlen verzeichnen, die dann aber schnell abbröckelten. Am Ende wurde das Spiel verramscht.

Vor zehn Jahren war eine Neuauflage erschienen. Doch die Chance zur Aktualisierung wurde verpasst. Die Neuauflage ist nahezu unverändert.

1992 war es zu früh für Um Reifenbreite. Damals gab es weder das Team Telekom noch das Internet, in dem sich eine Fan-Szene hätte austauschen können. Stoff zur Diskussion hätte es genug gegeben. Denn Um Reifenbreite hat eine sehr schöne modular aufgebaute Spielanleitung. Es gibt eine Einsteiger-, eine Fortgeschrittenen- und eine Profiregel. Aus letzterer kann man sich seine eigenen Regelkomponenten herausarbeiten und in Zusammenhang setzen mit den verschiedenen Rundfahrten, die das Spielbrett bietet.

Die Grundregel ist einfach. Jede SpielerIn hat vier Spielfiguren, die sie – in einem laut Spielregel ungerechten Verfahren für den Beginner – auf die Startplätze setzt. Anschließend werden die Figuren mittels zweier Würfel nach vorn gesetzt. Dabei wird nicht reihum gewürfelt, sondern es wird zuerst für den Fahrer gewürfelt, der am weitesten vorn beziehungsweise rechts steht. Mit Windschattenfahren, Würfelmodifikatoren bei Berganstiegen und Abfahrten sowie Energiekarten, die statt Würfel eingesetzt werden, gibt es eine Reihe taktischer Möglichkeiten, die Um Reifenbreite zu einem faszinierenden Spiel machen.

Vermutlich lebt Um Reifenbreite von der thematischen Nähe zum großen Vorbild: der Tour de France. Denn die Spielregeln der französischen Rundfahrt sind so interessant, dass sich eigentlich weniger der Sportfan, als der Brettspielkenner daran erfreuen könnte. Insbesondere das Grüne Trikot mit seinen verschiedenen Punktwertungen ist eine besonderer regeltechnische Herausforderung. Und so geht es in Um Reifenbreite gar nicht – wie behauptet wird – ums Gelbe Trikot, sondern ums Grüne. Wenn man die drei Sprintwertungen aus der Profiregel mit einbezieht, fühlt man sich fast wie der sportliche Leiter des Teams Telekom, der mit Teamkapitän Erik Zabel und seinen drei Edelhelfern über die favorisierte Mannschaft verfügt.

Doch leider gibt es keine magentafarbenen Figuren im Spiel. Und zu einer guten thematischen und grafischen Umsetzung hätte das zwangsläufig dazugehört. Da reicht es nicht aus, wenn in der Spielregel ein Team als „Telecard“ bezeichnet wird.

Die Anleitung ist das Einzige, was an dieser Neuauflage überarbeitet wurde. Sie wurde sprachlich neugefasst und an einigen wenigen Stellen wurde die Regel verändert. Diese aktuelle Spielregel ist – nach der Homas Tour-Originalregel – nun schon die dritte Fassung. Und jedes Mal gibt es bei den Massenstürzen Verwirrung. Immer, wenn jemand eine Sieben würfelt, muss man eine Ereigniskarte (die jetzt Chancenkarte heißt) ziehen. Einige wenige Karten lösen eine Massensturz aus, was jedes Mal ein Höhepunkt des Radrennen ist. Nach der Erstauflage der Regel von 1992 reißt die gestürzte Spielfigur alle Figuren mit, die angrenzend links von ihr und hinter ihr stehen. Dieser Sturz kann sich dann als Kettenreaktion nach hinten fortsetzen. Verschont bleiben die Fahrer vorne und die Fahrer rechts – denn auch die liegen immer schon ein bisschen weiter vorn.

Bei der Zweitauflage der Regel, die 1992 mit dem Spiel des Jahres-Logo erschien, fielen plötzlich auch die Figuren, die rechts vom gestützten Fahrer standen, um. Die 2002er Drittauflage der Regel kehrt nun wieder zur Erstauflage zurück.

An steilen Bergabschnitten gibt es einen negativen Würfelmodifikator – da muss man also schon ein ordentliches Würfelergebnis haben, um nicht absteigen zu müssen und am Straßenrand zu warten. Doch wie stelle ich die Figur wieder zurück auf die Straße? Laut erster Regelauflage durfte man sich einen freien Platz in der entsprechenden Reihe aussuchen. In der zweiten Auflage musste man auf eine freien Platz dahinter ausweichen, wenn der ursprüngliche Platz besetzt war. Jetzt in der Drittauflage: da darf man auf den Platz links oder rechts vom Ort des Abstiegs ausweichen.

Doch es gibt – neben zwei oder drei Details, die allerdings manchmal spielentscheidend sein können – eine echte Regeländerung, die innerhalb der Szene allerdings schon bekannt war. Bei Zwischensprints scheidet jetzt immer der Letzte ganz aus. Deswegen lohnt es sich durchaus, auch für die hinten liegenden Fahrer mit einer Energiekarte etwas zu tun.

Um Reifenbreite war mein erstes richtiges Lieblingsspiel, das mich ein paar Jahre begleitete. Deswegen ist die Enttäuschung schon recht groß, dass die Neuauflage so wenig neu ist. Hier hätte ich mir schon ein wenig mehr Geschäftssinn bei Jumbo gewünscht. Allein ein anderer Spielplan hätte einige der Besitzer des alten Um Reifenbreite dazu gebracht, auch die Neuauflage zu kaufen. Mit einem veränderlich zusammensetzbaren Spielplan, den man womöglich noch an das alte Spielbrett hätte anschließen können, wäre der Kauf zu einem Muss geworden. Und dazu noch telekommagentafarbene Figuren …

So machen wir uns wie eh und je mit unserem alten Um Reifenbreite daran, den Eintagesklassiker Lüttich–Bastenaken–Lüttich zu bestehen. Selbst in der dritten Auflage ist dabei die Übersetzung aus dem Niederländischen nicht richtig gelungen. Wer nach zehn Jahren immer noch rätselt, was mit diesem Radrennen gemeint ist: in der deutschsprachigen Sportberichterstattung spricht man von Lüttich–Bastogne–Lüttich.

Hier einige Empfehlungen zur Spielregel an Punkten, die Anlass zu Zweifeln geben (in Klammern: zusätzliche sinnvolle Hausregeln, die zum Teil auf den Original-Homas Tour-Regeln basieren): 
  • (Startaufstellung: Nachdem alle Spieler einen Fahrer aufgestellt haben, beginnt der Teamchef links neben dem ersten Startspieler mit der Aufstellung seines zweiten Fahrers. So wechselt der Startspieler bei der Aufstellung der Fahrer im Uhrzeigersinn.)
  • Ereignis-Karten/Chancen-Karten: Bei einigen Ereignis-Karten muss man eine Energie-Karte abgeben. Gemeint sind dabei zunächst die Karten des betroffenen Fahrers; ersatzweise dann auch Joker-Karten. Bei anderen Ereignis-Karten erhält man eine Energie-Karte zurück. Auch hier gelten zunächst die Karten des betroffenen Fahrers; ersatzweise Joker-Karten. Sowohl bei der Abgabe als auch beim Erhalt sucht der betroffene Team-Chef die Karte aus, wenn mehrere Karten zur Auswahl stehen. (Wenn überhaupt keine Karte zur Verfügung steht, würfelt die betroffene SpielerIn im nächsten Zug mit einem Würfel weniger bzw. mehr.) Wer die "Sie haben sich von einem Begleitfahrzeug mitziehen lassen"-Karte zieht, muss, wenn dieser Teil der Profi-Regel nicht berücksichtigt wird, eine neue Karte ziehen.
  • Stürze: Ein Fahrer, der rechts neben dem Verursacher steht, stürzt nicht. Ein Fahrer, der rechts neben einem stürzenden Verfolger steht, stürzt.
  • Absteigen: Die Fahrer werden in der Reihenfolge ihres Absteigens auf die Straße zurückgesetzt, und zwar auf ein beliebiges Feld der Reihe, neben die sie gestellt werden mussten. Erst wenn alle Felder dieser Reihe besetzt sind, werden sie auf ein dahinterliegendes Feld gesetzt. (Eine Massensturzkarte wird aus dem Spiel genommen.)
  • (Sprints: Für alle Sprints gibt es die gleichen Punkte, die, die auf dem Wertungs-Blatt beim 2. Sprint stehen.)
  • Gelbes Trikot: (Für jede Runde, in der ein Fahrer das Gelbe Trikot hält, bekommt er einen Punkt gutgeschrieben.) Bei gleicher Punktzahl erhält der Fahrer das Gelbe Trikot, der im aktuellen Sprint mehr Punkte erzielt hat. Sobald der erste Fahrer die Ziellinie übequert hat, bekommt dieser das Gelbe Trikot. Dafür gibt es jedoch keine Punkte.
  • (Vom Begleitfahrzeug mitziehen lassen: Dieser Teil der Regel wird nicht berücksichtigt.)
  • Die neueste Regelmodifikation aus dem Hause Jumbo: Der Fahrer, der in einem Sprint als letzter die Linie erreicht, scheidet ganz aus dem Spiel aus. 

© Harald Schrapers 1992-2006