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Vino

nett: 4 PunkteDas Spiel der Weinberge

von Christwart Conrad

Goldsieber

ca. 23 Euro

- nicht mehr lieferbar -

bis 5 SpielerInnen

Schwierigkeit mittel (ab ca. 12 Jahre)

Verpackung +

2000

Die Toskanafraktion kann sich freuen. Jetzt gibt es das Spiel zum Getränk: Vino. Lebensfreude, Genuss und Muße sind zentrale Motive, die mit der Toskana in Verbindung gebracht werden - ein Spiel hat da gerade noch gefehlt. Wen wundert es da, dass Christwart Conrads Prototyp, bei dem es um deutsche Weinregionen ging, von der Goldsieber-Redaktion flugs ins Italienische verpflanzt wurde.

Südländisch-leicht ist Vino allerdings nicht zu spielen. Es ist eher ein Taktikspiel, es gibt wenig Glückselemente - "außer den Unwägbarkeiten der Mitspieler", beschreibt Christwart Conrad sein Spiel.

Auf dem großen Spielbrett ist Italien, eingeteilt in neun Regionen, abgebildet. In jeder Region gibt es eine Weinstraße, an der jeweils zwischen drei und 21 Weinberge liegen. Diese Anbauflächen zu kaufen, und zwar möglichst viele, ist das Ziel des Spiels. Geld ist dabei nur Mittel zum Zweck. Es wird gebraucht, um die Weinberge, deren jeweiliger Preis auf der Italienkarte eingetragen ist, zu bezahlen.

Hinter einem Sichtschirm markieren die SpielerInnen zwei Regionen, in denen sie Weinberge kaufen wollen, durch Chips. Dann werden die Sichtschirme umgekippt. Wer als einzige SpielerIn in einer Region auf Einkaufstour gehen will, hat es einfach. Er kann an der betreffenden Weinstraße einkaufen soweit das Geld reicht. Wenn mehrere SpielerInnen in die gleiche Region wollen, ist zunächst die SpielerIn an der Reihe, dem in der betreffenden Region bereits am meisten Anbaufläche gehört.

Fünf Rebsorten können an den neun Weinstraße angebaut werden. In den meisten Regionen wachsen nur drei oder vier dieser Sorten. Wie viele Weinberge einer Rebsorte die SpielerIn hat, wird in einer Übersichtstafel - diese Weinbergestatistik wird in der Spielanleitung missverständlich als "Weinkeller" bezeichnet - markiert. Dies ist wichtig für die zweite Phase in jeder Spielrunde. Nachdem die Weinberge gekauft wurden ist nämlich das Geld nahezu aufgebraucht. Und nun muss durch den Weinverkauf wieder Geld in die Kasse. Jede SpielerIn darf nur Wein einer Sorte verkaufen. Je mehr Anbaufläche, die mit der entsprechenden Rebsorte bebaut ist, er besitzt, desto höher ist der Erlös. Dieser Geldeinnahme steht allerdings der "Pachtverlust" gegenüber.

Wie das mit den Agrarsubventionen für den Weinbau in der EU im Allgemeinen und in Italien im Besonderen funktioniert - dazu kann uns die Anleitung keine detaillierte Auskunft geben. Klar ist, dass es in sechs Regionen eine gewisse Anzahl an staatlichen Weinbergen gibt. Diese können zunächst genauso wie privaten Weinberge gekauft werden. Doch sobald in einer Region alle privaten Anbauflächen verkauft sind, werden die noch unverkauften staatlichen Weinberge als Subvention vergeben. Die SpielerIn, die in der betreffenden Gegend die meisten Weinberge besitzt, darf sich als Erste einen Staatsberg aussuchen. Anschließend bekommt die mit den zweitmeisten Bergen zwei Subventionsflächen.

Vino ist, und dass kann hier bestätigt werden, ein Taktikspiel mit sehr geringem Glücksanteil. Dann, wenn hinter dem Sichtschirm die zwei Einkaufsregionen gewählt werden, kann ein wenig geblufft werden. Oft ist die Wahl der MitspielerIn jedoch vorhersehbar, weil ihm seine Stellung auf dem Spielfeld wenig sinnvolle Alternativen eröffnet.

Vino ist, und das ist eine Besonderheit, ein Taktikspiel mit einer ungewöhnlich interessanten thematischen Einbettung. Freunde von abstrakten Taktik- und Strategiespielen werden dies eher für überflüssigen Schnick-Schnack halten. Wer abstrakte Taktikspiele dagegen für anstrengend-unspielerisch hält, wird durch die thematische Ausschmückung zunächst überlistet und merkt erst gar nicht, wie hart kalkulierend er in diesem Spiel entscheiden muss. Allerdings ist es nicht übermäßig anstrengend, eine stimmige Taktik zu entwickeln, und der Rechenaufwand bleibt - zumindest bis zur letzten Runde - überschaubar. Es entstehen keine überlangen Denkpausen und das Spiel verläuft - auch ohne eine passendes Gläschen Wein - recht flüssig. Obwohl man auch anderer Meinung sein kann: Vino verlange "gewaltiges Grübeln", führe "zu geistiger und spielerischer Blockade", woraus "galoppierende Lustlosigkeit" folge, verreißt die Süddeutsche Zeitung in der Gestalt des Spiel-des-Jahres-Juroren Michael Knopf das Spiel.

1994 wurde Christwart Conrads Prototyp als Spiel der Weinberge auf dem Hippodice-Autorenwettbewerb ausgezeichnet. Anschließend nahmen sich Joe Nikisch und die Abacusspiele des Spiels an. Zu einer Veröffentlichung kam es jedoch erst fünf Jahre später bei Goldsieber, deren Spielereihe mittlerweile auch von Nikisch redaktionell betreut wird. Zwischenzeitlich hatte Conrad "unabhängig davon" - wie er betont - das eher kurzweilig Spiel Zoff in Buffalo entwickelt, das mit dem Spiel der Weinberge einige Spielelemente gemeinsam hat. Conrad unterstreicht - und ihm ist da zuzustimmen -, dass Vino ein Wirtschaftsspiel sei, das in Komplexität und Spieldauer mindestens auf dem Niveau von Pfeffersäcke, seinem Erstling bei Goldsieber, liege.

© Harald Schrapers 2000-2003


Stand: 16.5.03