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Der Palast von Alhambra

von Dirk Henn

Queen (Redaktion: Bernd Dietrich)

ca. 30 €

– nicht mehr lieferbar – » Neuausgabe 2020

schön: 5 Punkte2 bis 6 SpielerInnen

Schwierigkeiteinfach (ab ca. 10 Jahre)

Neuauflage 2013

Spiel des Jahres 2003

2. Platz Deutscher Spiele Preis 2003

Alhambra ist ein Spiel für mindestens drei Personen. Zu zweit können wir es nur spielen, wenn wir Dirk mitspielen lassen, sagt uns die Spielanleitung. Dirk bekommt zu Spielbeginn sechs Gebäude, ansonsten ist er sehr genügsam. Er bekommt weder Dukaten noch Gulden, er trinkt kein Bier und futtert uns auch nicht die Kartoffelchips weg.

Erst bei den Zwischenwertungen meldet sich Dirk wieder. Da glaubt er doch tatsächlich, Punkte abkriegen zu können. Wer hat am meisten Türme? Dafür gibt es am meisten Siegpunkte. Für die Mehrheiten bei den Gärten, Gemächern, Arkaden, Serails und Pavillons gibt es etwas weniger Punkte. Im Anschluss an die Zwischenwertung bekommt Dirk nochmals sechs zufällige Gebäude.

Wir beide, die SpielerInnen aus Fleisch und Blut, müssen uns dagegen für den Bau der Gebäude richtig anstrengen. Damit unsere Alhambra möglichst prächtig wird, engagieren wir die besten Bautrupps aus den verschiedenen Ländern. Auf dem kleinen Spielbrett liegen vier zufällig aus dem Stoffbeutel gezogene Gebäude aus. Eine Ziffer sagt uns den Preis des Gebäudes. Entscheidend ist, auf welchem der vier Felder des Spielbrettes das Gebäude liegt. Dadurch ist nämlich vorgegeben, in welcher der vier Währungen das Gebäude zu bezahlen ist.

Wenn ich an der Reihe bin, kann ich mir entweder eine von vier Geldkarten aussuchen. Oder ich kann mir ein Gebäude kaufen, wenn ich genug Geld gesammelt habe – und zwar in der richtigen Währung. Denn der Bautrupp muss in seiner Heimatwährung bezahlt werden.

Wechselgeld gibt es nicht. Wenn mein holländischen Gartenbautrupp acht Gulden verlangt und ich mit einer Neun-Gulden-Karte und einem großzügigen „Stimmt so“ auf den Lippen bezahle, nehmen die das Geld zwar an. Doch Dank kann ich dafür nicht erwarten. Mein Spielzug ist sofort beendet. Wenn ich dagegen das Geld penibel abgezählt auf den Tisch lege, bin ich noch mal an der Reihe. Ich kann entweder noch mal bauen oder mir eine Geldkarte aussuchen.

Alhambra hat eine etwas langwierige Entstehungsgeschichte hinter sind. Schon 1992 hat der Aachener Spieleerfinder Dirk Henn in seinem Eigenverlag das Vorgängerspiel Al Capone herausgegeben. 1998 erschien das Spiel erstmals bei Queen. Stimmt so – Tante Emma geht an die Börse lautete der damalige Titel. Obwohl als großes Brettspiel produziert, war es eigentlich kaum mehr als ein durchschnittliches Kartenspiel. Es ging darum, Aktien an vier verschiedenen Börsen der Welt zu kaufen, mit der richtigen Währung möglichst passend zu bezahlen, um die Aktienmehrheiten von sechs Konzernen zu erringen.

Dieses Spielprinzip ist bei Alhambra immer noch weitestgehend unverändert vorhanden. Aber es ist ein ganz entscheidendes zusätzliches Element hinzugekommen, das den eigentlichen Reiz dieses Spiels ausmacht. Die von mir erworbenen Gebäude müssen nämlich an mein Startplättchen, den Löwenbrunnen, angebaut werden. Dieses Legespiel erinnert ein wenig an den Bestseller Carcassonne.

Die Gebäude sind an bis zu drei Seiten von einer Stadtmauer umschlossen. Beim Legen der Gebäudeteile darf ich nur gleiche Seiten aneinanderlegen, also Stadtmauer an Mauer oder freie Kanten an freie Kanten. Dabei muss jedes Gebäude von dem Löwenbrunnen aus „zu Fuß“ erreichbar sein, ohne dass man über eine Mauer klettern müsste.

Bei den Zwischenwertungen gibt es zusätzlich reichlich Punkte für eine lange Stadtmauer. Es zählt dabei mein längstes nach außen weisendes Mauerstück.

Beim Kauf eines Gebäudes muss folglich immer darauf geachtet werden, dass es sich sinnvoll in die Gesamt-Alhambra einfügt. Es gibt zwar auch die Möglichkeit, ein Gebäudeteil auf einem Reservefeld quasi zwischenzulagern. Da man beim späteren Einbau des Bauwerks dann aber einen Spielzug verschenken würde, sollte man dies vermeiden.

Der Einstieg in dieses Spiel ist längst nicht so „schnell und einfach“, wie es die Spiel des Jahres-Jury in ihrer Begründung für die Auszeichnung von Alhambra schreibt. Die Rechnerei, mit welcher Geldkartenkombination ich welches Gebäude passend bezahlen kann, nimmt doch etwas Bedenkzeit in Anspruch. Zumal ich auch noch überlegen muss, welche Geldkarte ich mir aussuchen muss, um wenigstens in der nächsten Runde passend bezahlen zu können. Mit AnfängerInnen wird die angegebenen Spieldauer von 45 bis 60 Minuten oftmals weit überschritten. Das erscheint dann für ein Spiel, bei dem die Geldkartenverteilung letztlich doch in erheblichen Maße vom Zufall entschieden wird, zunächst etwas langwierig.

Doch wenn man sich an die Rechnerei gewöhnt hat, geht das ganze viel flotter und der wirkliche Spielreiz kommt zu tragen. Die Entscheidung der Spiel des Jahres-Jury kann man deshalb kaum kritisieren. Alhambra hat – in einem allerdings recht schwachen Jahrgang – den Spiel des Jahres-Titel verdient. Die Jury hat sich dabei auch davon nicht beeindrucken lassen, dass Spiele des Queen-Verlags wegen dessen umstrittenen Preispolitik in einer Reihe von Fachgeschäften nicht erhältlich sind. Denn an der spielerischen Qualität von Alhambra ändert das nichts. Eigentlich hätte Alhambra auch den Deutschen Spiele Preis verdient, bei dem es nun hinter dem reichlich spröden Amun-Re mit dem zweiten Platz vorlieb nehmen muss.

Um Rechtstreitigkeiten mit dem schweizerischen Verleger eines kleinen Lernlegespiels gleichen Namens aus dem Wege zu gehen, musste Alhambra kurz nach seinem Erscheinen umbenannt werden. Inzwischen heißt es mit vollem Namen Der Palast von Alhambra. Davon unbeeindruckt entwickelten sich die Verkaufszahlen in Rekordgeschwindigkeit. Kaum drei Monate nach der Preisverleihung hat der kleine Troisdorfer Verlag 400.000 Spiele ausgeliefert.

Damals erschien Alhambra in einer kompakten Schachtel. Erst zehn Jahre später, als Queen mit Kingdom Builder seinen zweiten großen Spiel des Jahres-Erfolg feiern konnte, kam das Spiel in einem großen und quadratischen Format heraus.

Alhambra lässt sich am besten in kleiner Runde, mit drei oder vier Leuten, spielen. Aber auch zu zweit macht es Spaß – wenn man Dirk als imaginären dritten Spieler an seinen Tisch lässt. Dirk ist ein angenehmer Mitspieler, der eigentlich nie gewinnt.

© games we play 2003–19 · Harald Schrapers