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Spiel in der Arbeits- und Konsumgesellschaft

Arbeit, Brot und Spiele

Jahrzehntelang war Spielen nur etwas für Kinder. Und selbst dabei wurde versucht, dem Kinderspiel das Spielerische zu nehmen. Die Kinder sollten beim Spiel etwas lernen - Spiele wurden immer pädagogischer, Spaß machten sie dabei meist nicht mehr.

In der modernen Arbeitsgesellschaft, wie sie im letzten Jahrhundert entstanden ist, war für nutzlose Spiele kein Platz. Arbeit galt als einziger Mittelpunkt des Lebens, und selbst die entstehende Arbeiterbewegung wollte nur eins: schlicht Arbeit. Paul Lafargue warnte seinen Schwiegervater Karl Marx, den Verfechter des "Rechts auf Arbeit", vergeblich: "Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder in denen die kapitalistische Zivilisation herrscht. Es ist dies die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung gehende Arbeitssucht. Statt gegen diese geistige Verirrung anzukämpfen, haben die Priester, Ökonomen und die Moralisten die Arbeit heiliggesprochen", schrieb Lafargue in seinem Buch "Das Recht auf Faulheit".

Der siamesische Zwilling der Arbeit ist der Konsum. In der Arbeitsgesellschaft ist die Last der Arbeit durch die Lust des Konsums aufzuwiegen. Der Zwang, immer neuen Konsum- und Freizeittrends hinterherzulaufen, lässt trotz mehr arbeitsfreier Zeit in den letzten Jahrzehnten keine Muße aufkommen.

Das Recht auf Faulheit

Freie Zeit sinnvoll zu nutzen, wird in der Arbeits- und Konsumgesellschaft nicht vermittelt. Während die einen sich "zu Tode" arbeiten, langweilen sich die anderen "zu Tode". Die Massenerwerbslosigkeit lässt uns keine Wahl. Die Arbeit muss gerecht verteilt werden, wir müssen lernen, Freizeit sinnvoll zu nutzen. "Wenn die Arbeiterklasse sich in ihrer furchtbaren Kraft erheben wird, um ein ehernes Gesetz zu schmieden, das jedermann verbietet, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten, so wird die alte Erde, zitternd vor Wonne, in ihrem Innern eine neue Welt sich regen fühlen", meinte Paul Lafargue schon im letzten Jahrhundert.

Fremdbestimmte Freizeit wird überreichlich angeboten, Privatfernsehen, Video und Spiele - Videospiele. Erfüllte und selbstbestimmte Freizeit bedeutet jedoch etwas anderes: gesellschaftliches Engagement, do it yourself, Selbst- und Nachbarschaftshilfe, Bildung, Kultur sowie auch Muße. Letzeres ist in der Arbeitsgesellschaft am schwersten zu lernen, Müßiggang wird missbilligt.

Der Sinn des Sinnlosen

Spielen ist sinn- und nutzlos. Die Arbeitsgesellschaft kennt nur das Kinderspiel, vielleicht noch ein Kartenspiel, akzeptiert die Sportart Schach, lächelt über das snobistische Bridge und ist von Monopoly fasziniert. Selbst das Konsumangebot der TV-Gameshows bietet kein zweckfreies Spiel. Wir glauben tatsächlich, bei den ungezählten Fernsehratespielen uns nicht nur zu unterhalten, sondern etwas lernen zu können.

Längst verabschieden sich jedoch immer mehr Menschen von der Ideologie der Arbeitsgesellschaft. Die Arbeit ist nicht mehr der alleinige Mittelpunkt ihres Lebens. Sie arbeiten weniger und gestalten ihre Freizeit selbstbestimmt.

In den letzten Jahren wurde das Spiel aus der Kinderecke herausgeholt. Immer mehr Erwachsene bekennen sich dazu, etwas völlig Nutzloses zu tun, nämlich zu spielen. Der Aufschwung des Brett- und Gesellschaftsspiels geht zeitlich einher mit der jährlichen Verleihung des kleinsten Kulturpreises der Bundesrepublik, des Kritikerpreises Spiel des Jahres, mit dem erstmals 1979 ein Spiel ausgezeichnet wurde.

Hunderte neue Spiele im Jahr

Auch der Markt der Gesellschaftsspiele steht nicht außerhalb unserer Konsumgesellschaft. Immer mehr - oft angehängt an spektakuläre Medienereignisse - langweiligen Einwegspielen mit dem Grünen Punkt wird durch massive Werbung der Weg gebahnt. In den 90er Jahren erwarteten uns zwischen 200 und 400 Neuerscheinungen in jedem Jahr - und 90 Prozent dieser Spiele konntet ihr direkt wieder vergessen.

Mit unseren Spielebesprechungen wollen wir den Dschungel lichten und die Perlen in dem riesigen Spieleangebot herausstellen. Wir hoffen, dass wir dazu beitragen können, dass ihr bei einem spannenden Spiel Muße findet.