Meuterer | Verräter |
ca. 7 €
bis 4 SpielerInnen
Schwierigkeit
Verpackung ++
Sind "Spielefamilien" der Trend der Zukunft? Das Erfolgsduo Kramer/ Kiesling lässt beim Großverlag Ravensburger auf Tikal das Spiel Java folgen. Und gleichzeitig - selbstverständlich unabgesprochen - erscheint beim Kleinverlag Adlung der Titel Meuterer, das "Schwesterspiel", so der Autor Marcel-André Casasola Merkle, von Verräter. Die Gemeinsamkeiten innerhalb einer Spielefamilie sind einzelne wichtige Spielelemente und die grafische Gestaltung. Denn wer das erste Spiel gut fand, soll auch beim zweiten Titel der Familie zugreifen. Während Tikal als Spiel des Jahres 1999 ein großer Verkaufserfolg war, konnte das kleine Verräter "in seiner Klasse" für Aufsehen sorgen und wurde von der Fairplay als bestes Kartenspiel 1999 ausgezeichnet.
Meuterer startet an dem Schauplatz, den wir bei den Verrätern kennen gelernt haben. Dort im schottischen Hochland trugen die beiden Fürstenhäuser ihren ewigen Konflikt um die fruchtbaren Landstriche aus. Heute stechen wir vom Hochland aus in See, um eine Reihe von Inseln anzufahren und dort Handel zu treiben. Die Hochland-Karte bildet zusammen mit elf Inselkarten, die kreisförmig ausgelegt werden, das "Spielbrett". Jede Inselkarte hat ihre aktive und ihre passive Seite. Nur auf den jeweils zwei aktiven Inseln darf Handel getrieben werden.
Gehandelt wird mit der Ware, die die Handkarten zeigen. Reihum werden diese Karten ausgespielt. Wer passt, darf sich verdeckt eine Aktionskarte aussuchen. Aktionskarten sind, wir erinnern uns, die Charakterkarten. Diplomaten, Bauer, Baumeister, Stratege und eben den Verräter gab es beim Vorgängerspiel. Bruno Faidutti übernahm dieses Spielelement in brillanter Weise und schuf Meuchler, Dieb, Prediger und so weiter für sein Ohne Furcht und Adel, das unlängst als bestes Kartenspiel 2000 ausgezeichnet wurde. Beim Meuterer gibt es nun Kapitän, Meuterer, Maat, Schiffsjunge, Lademeister und Händler. Wobei die Rolle des Kapitäns bereits vorab zugeordnet ist, was die Spannung bei diesem Spielelement recht gering hält, da maximal drei Mitspieler um die verdeckten Karten konkurrieren.
Die Anzahl der nicht ausgespielten Handelskarten bestimmt, wie weit der Kapitän sein Schiff ziehen möchte. Auf diese Zielinsel stellt er seine Spielfigur. Da es bei Adlung noch nie eine Spielfigur gab, handelt es sich selbstverständlich auch hier um eine Spielkarte. Ebenfalls der Meuterer zählt seine nicht ausgespielten Karten und stellt seine Spielfigur auf das entsprechende Ziel. Der Schiffsjunge schlägt sich auf die Seite des Meuterers und der Maat steht zu seinem Kapitän. Dann spielen die Beteiligten ihre Konfliktpunkt-Karten aus und die Sache ist entschieden. Entweder die Kapitänsseite gewinnt. Dann kriegt der Kapitän die Siegpunkte seiner Zielinsel und gibt davon die bereits zu Beginn der Runde dem Maat versprochene Anzahl ab. Oder der Meuterer gewinnt, bekommt die Siegpunkte und darf sich ab sofort Kapitän nennen. Der Schiffsjunge kriegt zwei Punkte.
Doch allein so kann man nicht gewinnen. Man muss auch erfolgreich mit Korn, Tuch, Wein und anderen Gütern handeln. Auf den meisten Inseln ist immer nur eine ganz bestimmte Ware gefragt. Wer von dieser Sorte am meisten Warenkarten ausspielen kann, gewinnt die Handels-Siegpunkte der Insel. Bei einem Patt bekommt nur der die volle Punktzahl, der die Händler-Aktionskarte gewählt hat. Wer vorausschauend plant, versucht das Schiff dahin zu lenken, wo er seine Handelswaren am besten einsetzen kann. Hilfe beim gezielten Nachziehen der Handelskarten bietet der Lademeister.
Meuterer spielt sich, was nach Verräter nicht mehr erstaunt, wie ein vollwertiges Brettspiel. Etwas "echtes" Spielbrett gibt es sogar: Ein Zählleiste, die Casasola gezeichnet hat, bietet er auf seiner Homepage zum Download an. So lässt sich der Spielstand ohne Papier und Bleistift fest halten. Wer möchte, ersetzt auch die Zielkarten für den Kapitän und den Meuterer durch farbige Spielsteine und die Piratenkarte durch eine schwarze Figur. Der Pirat ist eine Regelvariante, bei dem ein Schiff auf Crashkurs die ihm begegnenden Schiffe ausplündert.
Doch Spielfiguren ändern nichts am Spiel an sich. Sowohl Verräter als auch Meuterer fallen nun einmal durch ihre minimalistische Kartenspiel-Ausstattung (bei gleichzeitig erstklassiger grafischer Gestaltung durch Casasola selbst) auf. Mehr Platz wünsche ich mir eigentlich nur für die recht schwer verständliche Spielanleitung. Ein größeres Format könnte für entscheidend mehr Regel-Übersichtlichkeit sorgen. So blieb nur der Hinweis auf die bildschöne Multimedia-Version der Spielregel im Internet, die aber leider nicht ganz vollständig ist.
Im Vergleich zu seiner "Schwester" Verräter hat Meuterer durch das Zusammenwirken zweier Spielabschnitte - Konflikt und Handel - etwas an Komplexität gewonnen. Leider ist aber etwas an der Faszination der Karten-Brettspiel-Innovationen des ersten Casasola-Spiels verloren gegangen. Das runde Spielbrett mit seinen Landschaften, ihre wechselnde Zugehörigkeit zur Adler- oder Rose-Seite, die Konflikte zwischen benachbarten Landschaften: Bei Verräter passte alles wunderbar zusammen und entsprach der Vorstellung eines echten Spielbretts. Bei Meuterer werden dagegen die Karten zu einer einfachen Laufstrecke ausgelegt und zwei Karten werden als Handelsplätze markiert. Um nicht missverstanden zu werden: Das funktioniert alles hervorragend. Nur ist Meuterer eben nicht mehr die großartige Karten-Brettspiel-Innovation, die die "große Schwester" war.
[ Spielregel, Multimedia-Anleitung, Tipps ]
[ Wertungsleiste zum Ausdrucken ]
[ brettspielwelt.de: Meuterer online spielen ]
© Harald Schrapers 2001–08