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Villa Paletti

von Bill Payne

Zoch (Vertrieb: Noris)

ca. 28 €

schön: 5 Punktebis 4 SpielerInnen

Schwierigkeitsehr einfach (ab ca. 8 Jahre)

Spiel des Jahres 2002

4. Platz Deutscher Spiele Preis 2002

2002 wurden Bauklötze als Spiel des Jahres ausgezeichnet. Villa Paletti ist kein Brettspiel im üblichen Sinne, sondern geht darüber hinaus. Es ist auch ein Spielzeug, das Erwachsene wie Kinder begeistern kann.

Immerhin wird zunächst doch ein Spielbrett, eine kreisförmig Pappe, auf den Tisch gelegt. Auf das Brett werden die Bauklötze, die die Farben den SpielerInnen tragen, gestellt. Die Klötze sind rund, sie stellen Säulen dar. Nur jeweils eine Säule in den unterschiedlichen Farben ist eckig, sie zählt die doppelte Punktzahl. Und eine besonders dicke runde Säule zählt gar drei Punkte.

Zwanzig Säulen stehen zunächst im Erdgeschoss und erwecken den Verdacht, das zu errichtende Gebäude ist ein bombensicher stehender Pfahlbau. Doch dieser Eindruck trügt.

Jetzt wird die größte der fünf im Spiel befindlichen Holzplatten auf die Säulen gelegt. Damit haben wir ein Dach. Auf Außenwände verzichten wir aus Gründen der Einfachheit.

Das Vorgeplänkel ist beendet und das Spiel beginnt. Die erste SpielerIn macht sich an die Arbeit, unser Gebäude mit einem zusätzlichen Stockwerk auszubauen. Dazu versetzt sie eine Säule ihrer Farbe vom Erdgeschoss in die erste Etage. Dies sollte sie mit ruhiger Hand machen und kann dazu als Hilfe einen mitgelieferten Metallhaken verwenden, um den Bauklotz zur Seite zu ziehen. Reihum setzt jede SpielerIn einen ihrer Säulen von unten nach oben. Bis es nicht mehr geht. Meistens bleiben bloß drei Bauklötze als Stützpfeiler im Erdgeschoss übrig.

Auch die erste Etage wird mit einem Dach abgeschlossen. Und weiter geht es mit dem dritten Stockwerk.

Irgendwann ist Schluss. Dann nämlich stürzt der gesamte Bau mit großem Lärm ein, weil jemand gewackelt hat oder seine statischen Berechnungen falsch war. Villa Paletti ist auf alle Fälle das lauteste Spiel des Jahres. Es ist ein tolles Spiel mit Knalleffekt.

Doch wer hat gewonnen? Da das Spiel eingestürzt ist, ließe sich die Fragen nach Spielschluss eigentlich nicht mehr so recht beantworten. Doch es wurde vorgesorgt. Die SpielerIn, die die meisten und wertvollsten Säulen ihrer Farbe im oberen Stockwerk stehen hat, besitzt einen Stein mit dem Namen „Baumeistersiegel“. Mit dem Bau der ersten Säule in der ersten Etage wird dieses „Siegel“ vergeben. Anschließend wechselt es regelmäßig die BesitzerIn, sobald jemand anders mehr Punke hat. Außerdem wird auf dem „Siegel“ markiert, wer die zweitmeisten Punkte hat. Denn es kann ja sein, dass die punktbeste SpielerIn das Gebäude einreißt. Dann kann sie selbstverständlich nicht die GewinnerIn sein.

Ein Geschicklichkeits-Bauspiel erscheint in der Spiel des Jahres-Riege zwar ungewöhnlich. Mit dem Geschicklichkeitsspiel Mikado oder dem Bauspiel Jenga gibt es auch in diesem Bereich Klassiker. Der kleine Zoch-Verlag, der mit Villa Paletti nun seinen größten Erfolg feiern kann, hat mit Bausack und Bamboleo selbst schon Spiele produziert, die das gleiche Spielziel haben: Das Ganze darf bloß nicht einstürzen. 1995 hat die Spiel des Jahres-Jury auch schon mal ein Holzspiel – Tribalance – als Schönes Spiel ausgezeichnet, bei dem es darum geht, ein dreieckige Fläche im Gleichgewicht zu halten.

Der bislang völlig unbekannte Bill Payne kann wohl unbestritten behaupten, dass Villa Paletti das bislang interessanteste Bau-Geschicklichkeits-Spiel ist. Besonders attraktiv sind die taktischen Überlegungen, die im Spielablauf eine Rolle spielen. Wo setze ich meine wertvollen Säulen hin, damit ich sie später noch eine Etage höher mitnehmen kann? Wenn ich meine Säule sehr zentral einsetze, dann beeinflusst sie die Gesamtstatik des Hauses am wenigstens. Wenn ich den Bauklotz am Rande aufstelle, kann ich hoffen, dass das nächste Dach womöglich gar nicht auf dieser Säule liegt. Dann ist es meist besonders einfach, diesen Holzstein nach oben zu setzen.

Die Entwicklung von Villa Paletti ist eine erstaunliche Geschichte voller Zufälle. Zoch hatte eine Spiel mit einem Zufallsgenerator entwickelt, dessen Realisierung Ravensburger überlassen wurde. Aber weder Ravensburger noch Zoch bekamen die komplizierte Verwirklichung in den Griff, so dass dieses Projekt abgeblasen wurde. Im Gegenzug bekam Zoch von Ravensburger die Lizenz eines Spiels des Kanadiers Bill Payne, das den Namen Top Peak trug. Hierbei sollten runde, sich verjüngende Scheiben übereinander gestapelt werden. Im Zuge der Weiterentwicklung dieses Spiels wurde daraus dann Villa Paletti.

Villa Paletti macht sehr viel Spaß. Doch ist es das beste Spiel des Jahres 2002? Hat es die Spiel des Jahres-Auszeichnung verdient? Diese Frage lässt sich nicht so recht beantworten. Denn mit einem Brettspiel lässt sich Villa Paletti nur schwerlich vergleichen. Dazu sprengt dieses Spiel einfach den Rahmen. Es ist eben auch ein Spielzeug.

© games we play 2002–10 - Autor: Harald Schrapers