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Mesopotamien

schön: 5 Punkte Wiege der Menschheit

von Klaus-Jürgen Wrede

Phalanx (Redaktion: Michael Bruinsma/Ulrich Blennemann)

ca. 35 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeiteinfach (ab ca. 10 Jahre) 

Verpackung −

5. Platz Deutscher Spiele Preis 2006

Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2006

Religion spielt in Mesopotamien, dem heutigen Irak, eine wichtige Rolle. Es gewinnt die Volksgruppe, die dem Gott Baal vier Opferplättchen an dessen Tempel gebracht hat. Doch war dieser kanaanäischer Wettergott wirklich so bedeutend im Zweistromland?

Dass man zum Opfern „Mana“ benötigt, hat dann bei mir etwas Zweifel an der historischen Korrektheit dieses Spiels geweckt. „Mana“ – ist das nicht ein Begriff für magische Energie, der erst im Zuge der Fantasy-Spiele der achtziger und neunziger Jahre entstanden ist? Wie dem auch sei. Jedenfalls braucht es hier „Mana“ – und je nach dem Wert des Opferplättchens unterschiedlich viel.

Mesopotamien ist ein Spiel, in dessen Zuge nach und nach eine Landschaft auf dem Spieltisch entsteht. Dabei stellt sich recht schnell ein Spielgefühl ein, das in etwa als eine Symbiose der Klassiker Tikal, Siedler, Entdecker und Klaus-Jürgen Wredes Carcassonne dargestellt werden kann.

Sechseckig sind die Spielplättchen, die entdeckt werden, wenn eine Spielfigur an das Ende der bisherigen Welt gerät. Dann wird vom verdeckten Stapel entweder eine Ebene, ein Wald mit dem Rohstoff Holz, ein Steinbruch mit einem Stein oder ein Vulkan, der die Wege blockiert, genommen.

Voraussetzung für das Erreichen des Zieles – vier Opfer zu bringen – ist der Bau der Hütten. Denn dann wird jeweils ein Opferplättchen unter das Gebäude gelegt. Dieses Plättchen kann dann auf den Kopf einer Spielfigur gelegt werden, die damit los zum Tempel läuft.

Zum Bau der Hütte werden zwei Spielfiguren auf einer Ebene benötigt, von denen eine ein Holzstück auf dem Kopf haben muss. Dieses Holz wird dann aus dem Spiel genommen – und stattdessen entsteht die Hütte. Ähnliches passiert, wenn zwei meiner Figuren einen Stein anschleppen. Dann wird ein Kultplatz gebaut. Pro Runde, in der eine meiner Figuren dort betet, gibt es einen „Mana“-Punkt.

Selbst wenn zwei Figuren einfach so, ohne alles, gewissermaßen nackt dastehen – und zwar vor einer Hütte – gibt es eine Belohnung: Nachwuchs nämlich, denn die beiden haben sich fortgepflanzt.

Der Spielablauf ist verblüffend einfach. Phalanx hat es geschafft, ihn auf einem Übersichtsblatt sehr übersichtlich darzustellen. Fünf Bewegungspunkte gibt es, wenn ein Spieler an der Reihe ist. Was zunächst etwas ungewohnt wirkt, ist die Tatsache, dass diverse Tätigkeiten in dieser Bewegung quasi gratis inbegriffen sind. Man kann Rohstoffe aufnehmen und mit sich tragen, sie den Mitspielern wegnehmen, am Tempel opfern oder neue Landschafts-Sechsecke entdecken. Die eigentlichen Aktionen dürfen erst nach den fünf Bewegungsschritten ausgeführt werden.

Wenn es mal vorkommen sollte, dass nirgends ein für eine Aktion ausgerüstetes Paar steht, gibt es stattdessen eine Ereigniskarte. Diese Karten, die man in einer späteren Runde ausspielen kann, sind gleichermaßen das zentrale Zufalls- und das Taktikelement dieses Spiels – auch wenn sie am Anfang nur als Beiwerk zusätzlicher Möglichkeiten erscheinen.

Denn so einfach, wie der Einstieg in dieses Spiel ist, so einfach ist auch das taktische Vorgehen. Dies führt angesichts des zunächst sehr geringen Glücksanteils dazu, dass häufig alle Spieler ungefähr gleichzeitig das Ziel des Spiels erreicht haben und ihr viertes Opfer darbringen können.

Die Ereigniskarten stellen hingegen eine wichtige Herausforderung dar. Man muss wissen, zu welchem Zeitpunkt man taktisch geschickt auch schon einmal auf seine Aktionsmöglichkeiten verzichtet, um eines solche Karte zu bekommen. Dann braucht man das Glück, eine wirklich starke Karte zu ziehen. Karten, die einem zusätzliches „Mana“ einbringen – das man manchmal sogar einem Gegner wegnehmen kann – sind wertvoll. Eine Karte, mit der eine gegnerische Figur versetzt werden kann, kann den Mitspieler um die entscheidende Runde zurückwerfen.

Spiele, bei denen eine Landschaft auf dem Tisch entsteht, sind eh recht populär. Mit seinen puzzleähnlichen Sechseckteilen und der ansprechenden Ausstattung mit Holzelementen und echten Steinen sieht Mesopotamien im Vergleich zu seinen Vorbild-Spielen gleichzeitig vertraut und eigenständig aus. Der Transport von Opferplättchen, Holz und Stein stellt zudem einen so interessanten Spielmechanismus dar, dass Mesopotamien für eine Dreier und Vierer-Besetzung sehr empfohlen werden kann – obwohl von Euphrat und Tigris nichts zu sehen ist.

© Harald Schrapers 2006–10